Matratzenlager in Pfarrheimen

Wie Christen Notunterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge einrichten

Wenn es um Geflüchtete aus der Ukraine geht, sieht Markus Söder die Kirchen in der Pflicht. Was der Ministerpräsident als Appell formuliert, ist in einigen bayerischen Pfarrheimen längst Realität.

Geflüchtete und freiwillige Helfer sitzen an einem Tisch im Gemeinschaftsraum im Pfarrheim der Pfarrgemeinde Sankt Arsatius in Ilmmünster. © KNA

Ilmmünster/Reichertshausen – "Schorsch, zu uns sollen Flüchtlinge kommen - kannst Du was machen?" - Diese WhatsApp-Nachricht erreichte Pfarrer Georg Martin am 3. März. Nicht von einer Behörde, sondern einer Ministrantin, Maria Spindler (15). Und dann musste es schnell gehen. Die Jugend leerte mit ihren Eltern das Untergeschoss im Pfarrheim von Ilmmünster (Oberbayern) und richtete in zwei Räumen ein Matratzenlager ein, dazu einen Aufenthaltsraum, eine Küchenzeile war schon da.

Nur drei Tage später wurden 15 Flüchtlinge aus der Ukraine nach einer nächtlichen Busfahrt mit Kartoffelsuppe und Nudeln empfangen. Eine russisch-stämmige Ärztin hatte sie auf dem Rückweg von einem privaten Hilfstransport einfach mitgenommen.

Internet hilft bei Sprachbarrieren

Seither verbringt Maria jede freie Minute bei ihren "Gästen", wie sie die Flüchtlinge hier nennen. Am Montag hatte eine ukrainische Mutter ihren 37. Geburtstag, da haben die Jugendlichen einen Kuchen gebacken. Die Sprachbarriere? "Ist eigentlich gar kein Problem", sagt Marias Freundin Jasmin Bär (14). Ein paar Brocken Englisch, etwas Polnisch, dazu Hände und Füße - und manchmal ein Übersetzungsprogramm aus dem Internet. Das reicht.

Pfarrer Martin ist stolz auf seine engagierte Helfertruppe - und lässt sie machen. Geht auch gar nicht anders, denn als Leiter von zwei Pfarrverbänden ist der Geistliche ausgelastet. Seine neuen Nachbarn hat er gleichsam adoptiert, sie seien wie eine Familie, sagt er.

Heimat verloren

Ortstermin in der Notunterkunft. Hinter der Tür geht es turbulent zu zu: Luftballons segeln durch die Luft, Kinder wuseln zwischen den Erwachsenen herum. Atmosphäre und Geräuschpegel wie bei einem Kindergeburtstag. Auf dem Tisch: Gebäck mit einem Zuckerguss in blau und gelb, den ukrainischen Nationalfarben.

Mohammad Haschmatullah will jetzt etwas sagen. Dolmetscherin Natalia Giesecke, die schon lange in Deutschland lebt, übersetzt: "Wir haben nie das Gefühl gehabt, hier fremd zu sein. Danke für alles, für jedes Lächeln, das ihr uns schenkt. Was ich hier erlebe, werde ich nie vergessen." Der Afghane ist der einzige Mann in der Gruppe. Er hat in der Ukraine eine Familie gegründet und jetzt zum zweiten Mal seine Heimat verloren.

Schnelle Hilfe via WhatsApp

Aber wie geht das eigentlich - eine Notunterkunft von jetzt auf gleich aus dem Boden zu stampfen? Wenn es Räume gibt, dazu ein paar Wildentschlossene, die das in die Hand nehmen und die kirchlichen Gremien überzeugen, dann lässt sich das eigentlich in jeder Pfarrei machen, sagt Marias Mutter. Was gebraucht wird, vom Wäschetrockner bis zum Wickeltisch, wird alles per WhatsApp-Gruppe organisiert. Da sind inzwischen über 30 Leute miteinander verbunden. Hier ergibt der Begriff soziales Netzwerk einen positiven Sinn.

Die Reaktionszeit auf einen Aufruf ist meist kurz, wie die Helfer berichten. Einige Kinder fürchteten sich, als sie aufwachten und es noch stockfinster war. Das versetzte sie zurück nach Charkiw, wo sie drei Bombennächte im Bunker überstehen mussten. Jetzt dämpfen Nachtlichter, wie sie in Steckdosen vieler deutscher Kinderzimmer eingesteckt sind, die Angst. Ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr hat den Pfarrheim-Bewohnern auch erklärt, dass es sich nicht um Fliegeralarm handelt, wenn in Ilmmünster die Sirene schrillt.

WLAN, um Kontakt mit Familie zu halten

Bis vor kurzem gab es auf dem Pfarrgelände noch kein WLAN. Das war ein Fall für den Gruppenleiter der katholischen Landjugend, der ist beruflich vom Fach. Der drahtlose Empfang ist wichtig für die Frauen, die so Kontakt in ihre Heimat halten können. Ihre jugendlichen Helferinnen bangen mit, wenn die Verbindung zum Ehemann nicht zustande kommt. Dann, nach drei Tagen, endlich ein Lebenszeichen, gottseidank.

Manchmal kommen schreckliche Nachrichten. Das Wohnhaus einer geflüchteten Familie ist von einer Bombe getroffen worden. Alles ist zerstört. Selbst wenn sie wieder nach Hause könnte, es wäre nichts mehr da.

Lehrzeit in Katastrophenhilfe

Wie lange ihre Gäste wohl im Pfarrheim bleiben? Manch einer fürchtet den Abschied, denn man ist sich schon sehr nahe gekommen. Ob Tage, Wochen oder noch viel länger, ist völlig offen. "Die bleiben jetzt so lange hier, wie es nötig ist", sagt der Pfarrer bestimmt.

Vier Kilometer südlich hat man in Reichertshausen genau verfolgt, wie das in Ilmmünster mit der spontanen Flüchtlingsaufnahme gelaufen ist. Und dann einen Entschluss gefasst. "Wenn die es schaffen, dann schaffen wir das auch", erzählt Gemeindereferentin Christiane März. Ilmmünster gehört zum selben Pfarrverband, sie war dort von Anfang an dabei, es war wie eine "Kurz-Intensivlehrzeit" in Katastrophenhilfe. Vor allem hat sie erlebt: "Es ist jederzeit jemand ansprechbar, das hat mir Mut gemacht."

Krisenstab im Pfarrbüro

Das Erdgeschoss im Pfarrheim von Reichertshausen wurde von den Gruppen schon geräumt. Innerhalb von 24 Stunden könnten drei Räume zur Unterkunft hergerichtet werden für etwa zwölf Personen. Jeden Moment wird der Anruf vom Landratsamt erwartet.

Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung sind eingebunden. Je ein Mitglied zählt zum improvisierten Krisenstab, der sich gerade wieder im Pfarrbüro trifft. Auf dem Besprechungstisch steht ein "Spendenglaserl", umwickelt mit gelb-blauen Tüllbändern. Ein paar größere Geldscheine stecken schon drin. Vielleicht muss damit eine Waschmaschine oder ein Trockner angeschafft werden.

Ein Vorratslager haben sie in Reichertshausen gar nicht erst eingerichtet. "Wir wissen ja noch nicht, wer kommt", erklärt März. Für Kinder wird anderes gebraucht als für Senioren. Aber alles lässt sich in kürzester Zeit organisieren, per Whatsapp.

Hilsbereitschaft ist gigantisch

Die Gemeindereferentin hat die zugesagten Spenden auf einer Liste stehen: Bettwäsche, Gehstöcke, Nähzeug, Kinderhochstuhl, Kleiderständer auf Rollen "und ganz viel Matratzen, auch in Übergröße". Regale und kleine Schränke sind als Raumtrenner vorgesehen, um wenigstens etwas Privatsphäre zu schaffen.

"Wir sind noch auf keinen einzigen unüberwindbaren Widerstand gestoßen", erzählt Dachdeckermeister Alexander Zaisch. Die Hilfsbereitschaft sei gigantisch. Wobei: Das Problem mit der fehlenden Dusche hat sie dann doch etwas beschäftigt. Ein Behinderten-WC umbauen? Zu teuer. Vor allem aber würde das zu lange dauern.

Da hat die Gemeindereferentin einfach in der Nachbarschaft gefragt. Schon die ersten vom Biobauernhof die Straße gegenüber haben signalisiert: Schickt sie zu uns. Man kennt sich, die Töchter sind in der Pfarrjugend aktiv. (kna)

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