Zwischen Bühne und Kriegsgebiet

Christian Springer macht Kabarett und Flüchtlingshilfe

Neben dem Kabarett ist Christian Springer seit Beginn des Syrienkrieges 2012 mit seiner Hilfsorganisation „Orienthelfer“ im Nahen Osten aktiv. Er sagt: Lustiges und der Ernst des Lebens gehören zusammen.

Der Humor begleitet Christian Springer auch als Flüchtlingshelfer. © Christian Springer/Orienthelfer

mk online: Wie gelingt Ihnen der Wechsel zwischen der Welt der Kabaretts und der Welt der Nah-Ost-Hilfe?

Christian Springer: Ich kann es nicht erklären, ich kann nur sagen: Es funktioniert. In den vergangenen zehn Jahren gab’s Tage, die frühmorgens am Flughafen in Beirut begonnen haben und am Abend auf einer Kabarettbühne endeten. Teilweise habe ich noch hinter dem Vorhang für die Orienthelfer telefoniert. Aber ich kann dann sofort in meine Kabarettwelt wechseln und das macht natürlich Spaß.

Welche Projekte unterstützt Ihr Verein?

Springer: Wir sind vor allem im Libanon aktiv. Dort gibt es im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten syrischen Flüchtlinge. 80 Prozent unserer Gelder gehen in Bildungsprojekte, aber wir helfen auch in akuten Notlagen. Aktuell leidet der Libanon unter einem schweren Wintereinbruch und hier versorgen wir täglich 700 Menschen mit einer kostenlosen Mahlzeit.

Es gibt Menschen, die derartige Hilfsprojekte als eine Art Promi-Hobby betrachten …

Springer: Ja, das sind die Nörgler und Spötter. Aber in Wahrheit ist es zu einer Lebensaufgabe geworden. Bei einer meiner ersten Hilfsreisen wollten wir Geflüchteten helfen, die im Bürgerkrieg verwundet wurden. Ich habe an diesen Tagen in Krankenhäusern und Lazaretten entlang der syrisch-libanesischen Grenze unzählige schwer verletzte junge Menschen gesehen, die alle medizinische Versorgung benötigt hätten. Ich hatte aber nur etwa 10.000 Dollar dabei. Das reicht für drei bis fünf Operationen, je nachdem wie komplex der Eingriff ist. Auf dem Heimweg nach Beirut musste ich dann entscheiden, wer operiert wird. Da sitzt man dann im Auto und spielt lieber Gott: Wer wird versorgt, wer bleibt seinem Schicksal überlassen? Das war einer der schlimmsten Momente meines Lebens, den ich sicher nie wieder vergessen werde und der mich immer antreibt, wenn’s darum geht, Hilfsmittel zu sammeln.

Werden Sie, der Kabarettist, als Flüchtlingshelfer ernst genommen?

Springer: Es gibt natürlich skeptische Stimmen. Aber viele Menschen haben auch gemerkt, dass ich es ernst meine und mich in den arabischen Ländern auch gut auskenne. Allein in Syrien war ich vor dem Krieg schon etwa 30 Mal. Außerdem bin ich seit den 1980er Jahren regelmäßig im Libanon, in Jordanien und der Türkei unterwegs gewesen. Ich habe gute Kontakte, vertrauensvolle Freunde, weiß, wie ich mich dort bewegen muss, und spreche auch die Sprache ein wenig. Das sind alles Riesenvorteile.

Haben Sie sich manchmal auch schon gefragt, ob man die Flüchtlingshilfe nicht den großen Organisationen überlassen sollte?

Springer: Wer weiß denn, wie man richtig hilft? Selbst die großen Organisationen machen Riesenfehler – und ich habe auch schon viele Fehler gemacht. Ganz zu Beginn des Syrienkrieges wollte ich einmal etwa 270 Geflüchteten mit einem Auto voller Spaghetti, Orangen, Zahnbürsten und Gaskartuschen helfen. Allerdings war das nicht alles fair auf 270 Päckchen aufgeteilt. Das Ergebnis war eine Riesenschlägerei. Jeder hat versucht, für seine Familie das Nötigste zusammenzusammeln. Ich stand verzweifelt mitten im Getümmel und wollte den Streit schlichten, bis ich selbst schwer zu Boden gegangen bin. Aus solchen Ereignissen lernt man, und das ist der Grund, warum ich heute hier sitze: Die Orienthelfer haben zehn Jahre durchgehalten, und wir werden auch noch weiter durchhalten.

Wo liegen denn die Gemeinsamkeiten zwischen Kabarett und Flüchtlingshilfe?

Springer: Auch im Kabarett geht es eigentlich um Themen, die nicht lustig sind. Überall da, wo etwas schiefläuft, legen wir Kabarettisten den Finger in die Wunde. Auch in der Flüchtlingshilfe nimmt man sich gezielt Problemen an. Natürlich auf eine andere Art und Weise. Zugleich gibt es aber auch dort viele lustige Momente. Der Humor begleitet Flüchtlinge genauso wie mich als Helfer vor Ort. Er kann dabei helfen, sich über Leid und Schmerz hinwegzusetzen. Lachen hat insofern immer einen ernsten Hintergrund und kann zugleich für einen Moment zu einer seelischen Erholung werden.

Darf im Krisengebiet überhaupt etwas lustig sein?

Springer: Es geht um die Menschlichkeit. Und Menschlichkeit heißt nicht nur, jemandem einen Sack Kartoffeln hinzustellen. Es bedeutet, den Menschen auch wertzuschätzen. Dafür muss man ihn wahrnehmen. Sowohl mit seinen Tragödien als auch mit seinem Humor. Mit seinen Tränen und eben auch mit seinem Lachen.

Nehmen Sie Ihre Arbeit als Flüchtlingshelfer auch mit in Ihre Arbeit als Kabarettist?

Springer: Als ich mit den Orienthelfern begonnen habe, wurde ich oft bei Auftritten gebeten, von dieser Arbeit zu erzählen. Gleichzeitig gab es die, die gesagt haben: Der Springer ist aber schon unlustig geworden, seit er jetzt den Flüchtlingen hilft. Das ist eine Gratwanderung. Man kann durchaus einmal seitlich abrutschen und weniger lustig sein, als die Menschen sich das wünschen. Das spornt mich dazu an, nach Wegen zu suchen, die ernsten Dinge ins Kabarett hinüberzuretten. Zugleich darf es aber nicht 90 Minuten Moral sein – dafür hätte ich sowieso zu viel Quatsch im Kopf.

Wann vergeht Ihnen das Lachen?

Springer: Aktuell vor allem, wenn von der „Corona-Diktatur“ gesprochen wird. Denn mein Beruf fußt auf der Demokratie, die wir haben. Sie funktioniert nicht immer fehlerfrei, aber genau das sprechen wir Kabarettisten an. Ich kann mit meinem Beruf überleben, weil wir diese gesetzlich geschützte Meinungs- und Kunstfreiheit haben. Wenn also Menschen auf die Straße gehen und behaupten, man dürfe nicht mehr alles sagen, was man will, ist das einfach gelogen! Wenn Menschen, die keine Ahnung haben, wie das Leben in einer Diktatur ohne Meinungsfreiheit ist, und sich obendrein noch einen gelben Stern auf die Brust heften, behaupten, ihnen gehe es wie den Juden unter den Nazis, dann ist das dermaßen verlogen und dumm, dass man wirklich keinen Witz mehr darüber machen kann.

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de

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