Sankt Ottilien – In der stockdunklen Kirche stehen Mönche in den Bänken, lang nach Mitternacht. Nur einige Kerzen spenden Licht, der Gesang der Männer erfüllt das Gotteshaus… – diese Zeiten sind in der Erzabtei St. Ottilien (Landkreis Landsberg/Lech) lange vorbei.
„Wir halten in der Nacht keine Gebetszeiten mehr“, erklärt der emeritierte Abtprimas Notker Wolf. „Die Vigil der Nacht wird mit dem Morgenlob zusammen gebetet.“ Dazu versammeln sich die Bewohner des Klosters aber auch jeden Morgen schon um 5.40 Uhr in der Kirche, Abt Notker steht um 5 Uhr auf. Diese Verschiebung der nächtlichen Gebetszeit auf den frühen Morgen hat sich in so mancher monastischen Gemeinschaft inzwischen durchgesetzt. In seiner Regel gibt der Heilige Benedikt zwar vor, wie die Gebete und Gesänge auszusehen haben und zu welchen Zeiten sich die Mönche versammeln sollen. Aber er gesteht ausdrücklich den Äbten zu, diese Vorgaben zu ändern, wenn sie das für richtig halten, erklärt Notker Wolf.
Der Mittagsschlaf gehört zum Tagesablauf
Das Frühgebet ist Teil einer genauen Taktung des Tagesablaufs in der Abtei: sie wird der Tatsache gerecht, dass die in der Landwirtschaft tätigen Mönche einen anderen Rhythmus haben als die Gymnasiallehrer, die Krankenpfleger einen anderen als die Seelsorger. Andererseits wird so das Gebet fest in den Tagesablauf integriert. Nach dem Frühstück sind die meisten der etwa 100 Mitbrüder von Abt Notker gegen 7.30 Uhr am Arbeitsplatz, bis mittags. Dem gemeinsamen Essen folgt für viele der Frühaufsteher dann aber auch ein kurzer Mittagsschlaf. „Wir brauchen den Schlaf, um unseren Mann in den verschiedenen Aufgaben des Klosters zu stehen. Nach dem Mittagessen können sich unsere Leute hinlegen, um halb zwei läutet die Glocke wieder: ran an die Arbeit!“ lächelt Abt Notker. Der 82-jährige folgt diesem monastischen Rhythmus seit ziemlich genau sechs Jahrzehnten. Am Nachmittag wird gearbeitet, vor dem Abendessen ist noch eine Stunde Zeit für geistliche Lesung. Um 18 Uhr versammeln sich die Mönche zum Abendgebet, der Vesper. Abendessen, gemeinsame Zeit und das Schlussgebet (Komplet) um 20 Uhr schließen sich an.