Katholische Gebetsform

Über den Sinn der eucharistischen Anbetung

In der Vertiefung auf das Allerheiligste Ruhe vom hektischen Alltag finden - vielleicht ist die eucharistische Anbetung gerade deshalb heute auch bei jungen Christen so beliebt.

Die eucharistische Anbetung ist die kontemplative Verlängerung des Gottesdienstes. © Godong Photo

"Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Raum allein mit einem Menschen, der Sie unendlich liebt, bedingungslos liebt. Tun Sie nichts anderes als diese Liebe auf sich wirken zu lassen." Diesen Ratschlag habe ich nicht etwa in einer frommen Anleitung für die eucharistische Anbetung gefunden, sondern in einem psychologischen Ratgeber ohne christlichen Hintergrund. Wenn man sich regelmäßig eine längere Zeit für diese Übung nehme, so war dort zu lesen, dann habe das positive Auswirkungen auf das psychische Gleichgewicht. Ich musste lächeln und tatsächlich an die Anbetung denken. Ob es die psychische Wirkung nochmal steigert, wenn man im Glauben davon ausgeht, dass dieser liebende Mensch wirklich anwesend ist, nicht nur in unserer Vorstellung?

Retrokatholische Tradition?

Es mag eine ungewohnte Perspektive sein. Juliana von Lüttich hatte im 13. Jahrhundert wohl kaum die psychologischen Auswirkungen im Blick, als sie durch ihre mystischen Visionen entscheidende Anstöße für eine vertiefte Verehrung des Altarsakraments in der katholischen Kirche gab. Aber vielleicht steckt in dieser Frömmigkeitsform auch noch für unsere Zeit mehr Potential, als Juliana damals bewusst war? Oder ist diese katholische Tradition doch heute überholt, theologisch fragwürdig, „retrokatholisch“ (wie man neuerdings sagt)?

Es gibt zu denken, dass – trotz aller Theologenskepsis – weltweit und gerade unter jungen Christen seit Jahrzehnten eine Renaissance der eucharistischen Frömmigkeit zu beobachten ist. Auf welche Sehnsucht trifft diese traditionelle Gebetsform? In der lautstark diesseitsbezogenen Realität unserer westlichen säkularen Welt wird die Wirklichkeit Gottes immer ungreifbarer. Paradoxerweise scheint aber gerade dadurch neu die Sehnsucht zu wachsen nach Orten, an denen seine Anwesenheit sinnhaft erfahrbar wird. Es ist die Sehnsucht der Emmausjünger: „Herr, bleibe bei uns!“ Auf diese Sehnsucht antwortete der Herr damals mit der Feier der Eucharistie. Und so nimmt es nicht Wunder, dass die Eucharistie heute neu entdeckt wird als Ort, an dem der Herr – im Sakrament verborgen und doch sichtbar – gegenwärtig bleibt.

Persönliche Vertiefung

Eucharistie also nicht nur als „Medizin der Unsterblichkeit“ (Ignatius von Antiochien), sondern als Heilmittel gegen die immer stärker gefühlte Abwesenheit Gottes. Gewiss vor allem in der Feier der Messe selbst, aber auch in der eucharistischen Anbetung. Sie ist gleichsam die kontemplative Verlängerung der liturgischen Feier. Auch hier die Paradoxie, dass uns auf der einen Seite eine wahre Bilder-, Wort- und Musikflut überschwemmt – und so auf der anderen Seite die Stille und die optische Reduzierung ersehnt und als Wohltat empfunden werden. Die farblose, runde Hostie (auch wenn sie von einer Monstranz umgeben ist) verzichtet auf bildhafte Darstellung und lädt gerade so zum Schauen auf den unendlich liebenden Gott ein, der alle menschliche Vorstellung übersteigt.

Dadurch ermöglicht die stille Anbetung nach der wortreichen liturgischen Feier die persönliche Vertiefung und Aneignung des Geschehenen. Mir klingt oft ein Wort aus der Heiligen Messe oder dem Stundengebet des Tages nach – ein Wort, das in der Stille seine ganze Kraft entfaltet und plötzlich noch einmal klarer und tiefer zu Herzen geht. Manchmal braucht es auch kein Wort. Dann ist die Anwesenheit alles.

Sakramente geben Kraft in der Krise

Als es am Beginn der Corona-Pandemie keine Gottesdienste mehr gab, wurde in vielen Pfarreien die eucharistische Anbetung vermehrt wahrgenommen. Einige Pfarrer zogen sogar mit der Monstranz durch die Straßen – nicht nur als Zeichen, dass die Kirche den Menschen nahe bleiben möchte in Zeiten des „social distancing“, sondern als Vergewisserung der Präsenz Gottes auch in dieser schweren Krise.

Sakramente, griechisch „mysteria“, sind Glaubensgeheimnisse, das heißt sie reichen immer noch einmal tiefer, als sie die jeweilige Zeit rational ergründen kann. So gilt es, die eucharistische Anbetung nicht einfach als „gängige Praxis“ zu bewahren, als Tradition um der Tradition willen, sondern ihr Potential für heute zu entdecken. Oder besser: wahrzunehmen, wie dieses schon neu entdeckt wird, als Gebetsform, die gerade dem modernen Menschen in unserer glaubensfernen, lauten, krisengeschüttelten Welt entgegenkommt, als Anwesenheit der Liebe und damit als Segen, den wir alle brauchen. Die Menschen benötigen eventuell Hilfestellung zum stillen Gebet vor der Eucharistie. Aber man sollte sie auch nicht unterschätzen und meinen, sie seien dazu nicht fähig.

In der eucharistischen Anbetung steht derjenige im Zentrum, der sich uns als Liebe offenbart hat, der im Heute unseres Lebens gegenwärtig sein will und auf den alle Weltzeit zuläuft. Damit ist sie und bleibt sie modern. Denn: „Was ist altmodisch? Was ist modern? Der wirklich moderne Christ ist nicht der, der einen ephemeren Nonkonformismus gegenüber der Vergangenheit praktiziert und dem Heute verfällt, das nur das Oberflächliche für das Zukünftige hält, sondern der, der das Alte bewahrt und das wirklich Zukünftige antizipiert.“ (Karl Rahner)  (Andreas Schmidt, Spiritual des Priesterseminars in München)

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