Versammlung des Diözesanrats

Neues synodales Gremium im Erzbistum München und Freising

Bei der Herbstvollversammlung des Dözesanrats in München dominieren die Themen Dekanatsreform, Ehrenamt und Zukunft der Immobilien – bis der Vorsitzende Armin Schalk gemeinsam mit Kardinal Reinhard Marx den Vorschlag eines neuen synodalen Gremiums präsentiert.

Herbstvollversammlung des Diözesanrats im Münchner Salesianum © Kiderle

München – Dass bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats im Münchner Salesianum einige Neuerungen auf die Delegierten warten würden, hatte sich schon bei der letzten Versammlung im Frühjahr angekündigt. Damals war bereits über mögliche Änderungen bei Formaten und im Ablauf der Tagesordnung diskutiert worden, nun war es so weit: Noch mehr Mitsprachemöglichkeiten sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben, ihre unmittelbaren Erfahrungen vor Ort in Pfarrei und Verband sollten sichtbar gemacht werden. Dazu wurde ein digitales Abstimmungstool eingesetzt, mit dem die Delegierten mittels Smartphone sofort ein Stimmungsbild erzeugen oder Fragen beantworten konnten. Zudem standen zahlreiche vorbereitete Kurzimpulse aus dem Plenum auf der Tagesordnung.

Neu war auch so manches andere: Bereits vorab war allen Teilnehmern ein vierseitiger Überblick über aktuelle Entwicklungen im Erzbistum von Generalvikar Christoph Klingan zugegangen. Der bisherige Abendgottesdienst wurde auf 12 Uhr mittags verlegt. Und: Kardinal Reinhard Marx nahm sich den ganzen Tag Zeit und war von 9 Uhr und bis 17 Uhr anwesend.

Abstimmungsprogramm erstmals im Einsatz

Am Beginn der Veranstaltung stand der traditionelle geistliche Impuls, bei dem diesmal angesichts der bedrückenden Situation im Nahen Osten nicht viele Worte gemacht wurden – stattdessen sangen alle miteinander das Lied „Hoffen wider alle Hoffnung, glauben, dass es dennoch weitergeht“. Dann war es Zeit für einen ersten Einsatz des Abstimmungsprogramms. „Mit welchen Erwartungen sind Sie heute hier?“, lautete die Frage, woraufhin sich binnen Sekunden die Top-Antworten „Information“ und „Austausch“ herauskristallisierten.

Die inhaltliche Arbeit begann mit dem etwas sperrigen Tagesordnungspunkt „(Pastorale) Herausforderungen aufgrund gesellschaftlich veränderter Rahmenbedingungen“ und drei Impulsen dazu: Hilga Wolf von der Diözesan-ARGE Caritas- und Sozialarbeit der Ehrenamtlichen erinnerte an die Bedürfnisse ehrenamtlicher Mitarbeiter und sagte: „Auch mit kleinen Gesten entfalten wir Christen Wirkung nach außen.“ Bruder Christian Schmidberger von den Franziskaner-Minoriten in Maria Eck ging von der Frage aus, wie die Kirche mit ihrer Botschaft Anklang finden könne, und hielt fest, dass sich Menschen nach echten und empathischen Begleitern sehnten. Nicola Gerhardt vom Dekanatsrat Freimann berichtete aus ihrer Arbeit im Helferkreis Asyl Garching und gab zu bedenken, dass der Spracherwerb und Arbeit noch nicht ausreichten, um Flüchtlinge zu integrieren – oftmals stehe eine tiefsitzende kulturelle Prägung unserem freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsverständnis entgegen.

Dekanatsreform ab 2024

Dann kündigte die stellvertretende Diözesanratsvorsitzende Hiltrud Schönheit in ihrer Funktion als Moderatorin „Informationen aus dem Maschinenraum des Erzbistums“ an und bat Generalvikar Klingan sowie Amtschefin Stephanie Herrmann ans Mikrofon. Während Letztere einen kurzen Lagebericht hinsichtlich Personalmangel, Kirchensteuereinnahmen und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs gab, konzentrierte sich Klingan auf die Dekanatsreform, die vorsieht, dass zum 1. Januar 2024 aus den bestehenden 40 Dekanaten 18 neue errichtet werden. Diese sollen die mittlere Ebene der Erzdiözese bilden und stärkere Vernetzung sowie bessere Seelsorge ermöglichen. Auch informierte er kurz über das Thema kirchliche Immobilien und bekräftigte, dass die Kompetenz darüber, wie eine Immobilie genutzt und gebraucht werde, vor Ort in den Pfarreien liege.

Dann waren wieder Impulsgeber aus dem Plenum am Zug, die „unterschiedliche Perspektiven auf die verschiedenen Herausforderungen im Erzbistum“ geben sollten. Dabei kamen abgesehen von wenigen positiven Stimmen – der Berchtesgadener Dekan Monsignore Frauenlob berichtete etwa vom zuversichtlich stimmenden Auftakt des Pilotprojekts zur Zukunft der Immobilien, mit dem Berchtesgaden als erstes Dekanat entscheiden wird, welche Gebäude künftig noch für die Seelsorge benötigt werden – auch zahlreiche nachdenkliche Stimmen, Klagen und Kritik zu Wort. Moniert wurden vor allem mangelnde Wertschätzung und Unterstützung von Ehrenamtlichen durch das Ordinariat, Kommunikationsprobleme, schwindende finanzielle Mittel und Schwierigkeiten, die sich durch die Aufteilung von Stellen ergäben. Alle angesprochenen Themen wurden anschließend in Tischgruppen diskutiert und zu Thesen verdichtet.

Eigeninitiative gefragt

Nach dem mittäglichen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Wolfgang und der Mittagspause stimmten die Teilnehmer digital darüber ab, welche der von den Tischgruppen erarbeiteten 19 Thesen nun auf dem Podium mit dem Vorsitzenden des Diözesanrats, dem Erzbischof, dem Generalvikar und der Amtschefin diskutiert werden sollten. Am meisten Stimmen erhielten dabei fünf Thesen, die allesamt zu den Themenbereichen Kirchenverwaltung und Ehrenamt gehörten und auf Fortbildung, Wertschätzung und Unterstützung der dort Tätigen abzielten. Aus der knapp einstündigen Diskussion blieb der Appell des Vorsitzenden Armin Schalk an die Räte in Erinnerung, nicht nur zu fordern, sondern auch zu machen – Eigeninitiative sei oft möglich und immer erfolgreich.

Kardinal Marx im Wortlaut


Am Ende seines Berichts kam Kardinal Marx auch auf die aktuelle Debatte rund um Migration und Asyl zu sprechen und vertrat mit Nachdruck („da mach’ ich keinen Millimeter runter“) fünf Thesen: „Erstens, die europäischen Außengrenzen dürfen keine Grenzen des Todes sein. Zweitens, jeder, der an unsere Grenzen kommt, wird menschenwürdig behandelt. Drittens, jeder bekommt ein faires Verfahren. Viertens, niemand wird zurückgeschickt in einer Situation, wo er an Leib und Leben bedroht ist. Fünftens, wir werden alles Mögliche dafür tun, um die Gründe für die Migration in den Herkunftsländern selbst zu bekämpfen.“

Nach einem digital ermittelten Stimmungsbild des Plenums zur Frage nach den größten Herausforderungen im Ehrenamt („Dekanatsreform“, „Nachfolge“, „Jesus“, „Immobilienstrategie“) berichtete Hiltrud Schönheit für den Vorstand über dessen Aktivitäten und wies darauf hin, dass die bereits im Herbst 2022 vom Diözesanrat beschlossenen Forderungen nach einem Predigtauftrag für Nichtgeweihte in Eucharistiefeiern und der Beauftragung von Seelsorgerinnen und Seelsorgern zur Taufe sowie zur Trauassistenz bisher noch unbeantwortet geblieben seien.

Synodalkonferenz geplant

Es folgten die Berichte des Diözesanratsvorsitzenden und des Erzbischofs, die mit einer Überraschung aufwarteten: Ein neues synodales Gremium, das unter dem Arbeitstitel „Synodalkonferenz“ vorgestellt wurde, soll zur Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs in der Erzdiözese geschaffen werden. Dieses soll die bestehenden Beratungsgremien – Diözesanrat, Diözesan-Steuerausschuss, Priesterrat und Bischofsrat – nicht ersetzen, sondern ergänzen und nur dann aktiv werden, wenn diese außerstande sind, Themen allein und einvernehmlich zu lösen. Die „Synodalkonferenz“ würde dann eine mit Mehrheit gefasste Empfehlung an den Erzbischof aussprechen, die dieser zur Umsetzung in Kraft setzen oder bei Einwänden zur erneuten Beratung zurückgeben kann.

Die 14 stimmberechtigten Mitglieder der „Synodalkonferenz“ sollen sich demnach aus dem Vorstand des Diözesanrats (5 Vertreter), aus dem Diözesan-Steuerausschuss (2), aus dem Priesterrat (3), aus dem Bischofsrat (2) sowie aus den Personen des Generalvikars und der Amtschefin zusammensetzen. Erste Themen für die „Synodalkonferenz“ seien die offenen Fragen hinsichtlich Predigt, Taufe und Trauassistenz, die Implementierung eines jährlichen Rechenschaftsberichts des Erzbischofs sowie die Umsetzung des Handlungstextes des Synodalen Wegs „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“ im Erzbistum.

Zwei Fragen an Armin Schalk


mk online: Der Erzbischof möchte Reformen nicht im Alleingang entscheiden, sondern die Fragen weiter in Gremien diskutieren und Beschlüsse der Deutschen Bischofskonferenz abwarten. Droht damit nicht eine Verzögerung auf Jahre hinaus?

Armin Schalk: Diese Befürchtung habe ich nicht. Der Erzbischof hat heute erwähnt, dass er in diesen Beratungen eine gewisse Einmütigkeit erzielen möchte. Es sollen alle Sichtweisen gehört, alle Standpunkte ausgetauscht und dann auf einer ganz anderen Informationsbasis abgestimmt und Empfehlungen ausgesprochen werden. Dem Erzbischof steht es dann natürlich frei, der Empfehlung zu folgen oder nicht. Und wir haben heute auch gehört: Wenn die Themen seine Zustimmung finden, dann werden sie auch umgesetzt.

Wie geht es jetzt weiter?

Schalk: Wir müssen den Vorschlag jetzt in den einzelnen Gremien diskutieren, und dann werden wir sehen, ob diese Idee auch bezüglich der Zusammensetzung und der Arbeitsweise Zustimmung findet. Dieses Gremium aus der Taufe zu heben, ist per se schon ein synodaler Prozess. Letztlich gibt die Art der Meinungsbildung das Tempo vor. Wir wollen mit diesem Gremium Einheit in der Vielfalt erzielen und vermeiden, dass Einzelne vorpreschen und den Erzbischof bitten, im Sinne ihrer Interessen zu entscheiden.

Kardinal Marx wies einmal mehr darauf hin, dass vielen immer noch nicht klar sei, was Synodalität bedeute. Es gehe dabei nicht um Einstimmigkeit, sondern um die Einmütigkeit aller. „Wir brauchen ein Instrumentum der Einmütigkeit“, stellte er mit Blick auf das neue Gremium fest und sagte: „Wir müssen jetzt diesen Schritt tun in unserem Erzbistum.“ Bei der anschließenden Aussprache lehnte der Kardinal den wiederholt vorgetragenen Wunsch ab, Reformen etwa bei der Taufspendung oder der Segnung homosexueller Paare einfach sofort zu beschließen. Das sei nicht synodal und er wolle hierzu auch entsprechende Voten und Handreichungen der Deutschen Bischofskonferenz oder sogar aus dem Vatikan abwarten.

Ausblick auf Bistumsjubiläum

Marx betonte, dass es Predigten durch Gemeindereferentinnen, die Segnung homosexueller Paare oder auch individuelle seelsorgliche Angebote für wiederverheiratet Geschiedene inoffiziell schon seit Langem im Erzbistum gebe und dass dies von ihm bewusst nicht unterbunden werde – aber er könne dies noch nicht im Stile einer offiziellen Regelung für rechtsgültig erklären. Den Abschluss der Vollversammlung bildeten ein ausführlicher Ausblick auf das bevorstehende Bistumsjubiläum „1.300 Jahre heiliger Korbinian in Freising“ sowie diverse terminliche Ankündigungen.

Viele der an diesem langen Sitzungstag dürften die Delegierten weiter beschäftigen. Bei der Dekanatsreform und der Frage nach der Zukunft kirchlicher Immobilien spüren alle, dass es jetzt „ernst“ wird, zahlreiche Veränderungen stehen bevor. Und auch das geplante synodale Gremium dürfte noch für Diskussionen sorgen – hatten sich doch noch vor einem Jahr sowohl der damals scheidende Diözesanratsvorsitzende Professor Hans Tremmel als auch Kardinal Marx selbst gegen die Einführung neuer Gremien ausgesprochen. Zudem ist die „Synodalkonferenz“ nach den derzeitigen Planungen zwar paritätisch mit Haupt- und Ehrenamtlichen besetzt, jedoch alles andere als geschlechterparitätisch – es gäbe eine überwältigende männliche Mehrheit (die aufgrund der Einbeziehung von Priester- und Bischofsrat auch kaum zu vermeiden ist).

Fürs Erste bekundeten die Delegierten jedoch in einer letzten digitalen Abstimmung, dass die Anliegen und Herausforderungen, mit denen sie gekommen waren, auch tatsächlich angesprochen wurden (Zustimmung von 3,9 auf einer Skala bis 5) und dass die Diskussionen sie in ihrem Engagement ermutigen (4,0). Das Schwerpunktthema auf der nächsten Frühjahrsvollversammlung wird übrigens die künstliche Intelligenz sein. Ob künstlich intelligente Computerprogramme bis dahin so weit entwickelt sein werden, bei pastoralen Fragen mitzudiskutieren, ein Votum über die Aussortierung kirchlicher Immobilien abzugeben oder sogar zu verstehen, wie Synodalität funktioniert, wird mit Spannung erwartet.

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de

Münchner Kirchenradio

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