Kurienreform

Ein Hauch von Revolution

Nahezu lautlos hat Papst Franziskus Mitte März die neue Verfassung des Vatikans „Praedicate evangelium“ („Verkündet das Evangelium!“) vorgelegt. Die Apostolische Konstitution sieht teils große Reformen in der römischen Kurie vor und räumt Frauen den Zugang zu Leitungsämtern frei. Vatikanexpertin und Mit-Gründerin des Vereins „Frauen im Vatikan“ Gudrun Sailer (Vaticannews) im Interview.

Der Vatikan hat seit Mitte März eine neue Verfassung. © IMAGO / penofoto

mk-online: Was ändert sich alles durch die neue Kurienverfassung?

Gudrun Sailer: Es gibt eine grundsätzliche Änderung durch die neue Kurienverfassung und das ist die Neuausrichtung auf die Verkündigung – also die ganze Arbeit, die in der Kurie geleistet wird. Dort arbeiten ungefähr 2.600 Angestellte, Priester und Laien, zusammen. Diesem Ziel der Verkündigung soll nun alles untergeordnet werden. Die Verkündigung ist so etwas wie der große Magnet, der all diese kleinen Nägel, der Arbeit an der Kurie, ausrichtet. Der Titel des Dokuments zur Kurienreform trifft es genau: „Praedicate evangelium“ – verkündet die frohe Botschaft!

Frauen sollen in Zukunft auch die höchsten Ämter in der Kurie bekleiden und Dikasterien leiten können – ist das so sensationell, wie es klingt?

Ja, das ist neu. Laien und damit auch Frauen können nun Präfekten werden. Das sind die Leiter der Kurienbehörden, Minister in weltlichen Regierungen. Das hatte so direkt niemand erwartet. Die frühere Kurienverfassung „Pastor bonus“ von 1988 hatte noch definiert, dass nur Kardinäle und Bischöfe Präfekten und Präsidenten werden können. „Praedicate evangelium“ spricht nun ausdrücklich davon, dass Laien und damit auch Frauen Regierungsverantwortung in der Kurie haben können. Es gab aber schon die ein oder andere Ernennung in der neunjährigen Amtszeit von Franziskus, die diese Reform vorwegnahm. Zum Beispiel gibt’s seit 2018 einen Laienpräfekten, Paolo Ruffini im Mediendikasterium – mein Chef bei Radio Vatikan, und es gibt auch immer mehr Frauen in der zweiten und dritten Führungsebene in der Kurie. Aber die Neuverfassung öffnet nun theoretisch jedes der aktuell 16 Dikasterien für Präfekten und Präfektinnen im Laienstand. Sogar bezügliche des Staatssekretariats heißt es nicht mehr, wie in „Pastor Bonus“, dass dieses vom „Kardinalstaatssekretär“ geleitet wird. Die Rede ist stattdessen vom „Staatssekretär“ – ohne Kardinal. Da ist alles in allem sehr deutlich der Reformgedanke erkennbar: Die Kurie wird als Diensteinheit – nicht als Machteinheit – verstanden, in der es darum geht, die Verkündigung zu erleichtern. Das ist ein Auftrag an das ganze Volk Gottes. Nicht nur an Priester, Bischöfe und Kardinäle. Sondern – und das ist neu – auch an Laien. Kraft der Taufe, die allen gemeinsam ist. Dass diese Entkoppelung von Weihe und Verantwortung jetzt einmal konkret von Rom ausgeht, kann man schon mit Interesse vermerken.

Wie schnell wird man hier Ergebnisse sehen?

Papst Franziskus wird die Dinge nicht überstürzen. Er wird nicht morgen drei Präfekten entlassen und stattdessen Laien einsetzen – wozu auch? Eine Kurienverfassung, das zeigt die Erfahrung, die hält 20 oder 30 Jahre. Das neue ist doch, dass es jetzt möglich ist, aus dem ganzen Volk Gottes die besten Kräfte zu berufen – unabhängig von einer Priester- oder Bischofsweihe. Einige Präfekten gibt es aber, die aktuell schon nahe an der Pensionsgrenze sind. Hier an der Kurie wird man mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, wer ihnen nachfolgen wird.

Welche Haken hat die Sache?

Ich sehe keinen Haken und ich habe mir auch von einem Kirchenrechtler und Kurienfachmann, dem ich dieselbe Frage gestellt habe, sagen lassen: Kirchenrechtlich stimmt alles. Es gibt keinen doppelten Boden. Es wird aber vieles davon abhängen, wie gut sich die Laien in Regierungsverantwortung in den nächsten paar Jahren schlagen werden. Und es wird auch vieles davon abhängen, was ein allfälliger nächster und übernächster Papst an geteilter Verantwortung möchte.

Welche Lücken bleiben bei der Kurienreform?

Im Moment keine, aber eines Tages wird es sicherlich welche geben. Das ist normal und darum braucht es alle paar Jahrzehnte eine Kurienreform. Die Welt ändert sich, die Kirche ändert sich und auch die Kurie ändert sich. Sie ist ein Verwaltungsapparat, der dem Papst und neuerdings auch den Bischöfen hilft, damit sie ihre Kernaufgabe – Verkündigung – besser wahrnehmen können. Da braucht es hin und wieder Anpassungen.

Warum wurde die neue Verfassung so „leise“ verändert?

Franziskus ist vor neun Jahren auch deshalb gewählt worden, um genau dieses Projekt in Angriff zu nehmen. Da hat sich jetzt ein Kreis geschlossen. Ein Auftrag ist glücklich zu Ende geführt. Es macht nichts, dass die Veröffentlichung der Kurienverfassung so leise vonstattengegangen ist. Wichtig ist, dass die Kurienreform jetzt greift und dass man das auch mittelfristig merkt.

Welche Schlüsse lassen sich aus der Reform auf die Position von Franziskus ziehen?

Das Überaschende ist für mich, wieviel von dem, was in dem Gesetzestext steht, eigentlich schon bekannt war und teilweise auch schon umgesetzt worden ist. Abgesehen von den Laien in Regierungsverantwortung, was in dieser Form neu ist. Was den Rest angeht: Davon hat Franziskus in den letzten neun Jahren seines Pontifikats oft gesprochen, in Reden, Predigten und Interviews. Auch in seinen Schreiben wie „Evangelii gaudium“ konnte man vieles davon schon lesen. Ich sehe hier einen Papst, der konsequent das umsetzt und auch in Gesetz gießt, was er als Auftrag der Kirche in dieser Stunde sieht.

Ist es ein der Erfolg eines Reformpapstes oder ein Kompromiss mit konservativen Kräften?

Ich glaube Franziskus steht wie jeder Papst auf den Schultern seiner Vorgänger. Wir sehen in der neuen Kurienverfassung keine Überdehnung des Kirchenrechts, keinen Bruch, keine Revolution. Wir sehen eine Reform – das schon – und wir sehen die Basis für diese Reform im Evangelium und im Zweiten Vatikanischen Konzil: Die Vorstellung, dass das Volk Gottes gemeinsam voranschreitet. Das wird nun in Zukunft auch in der Kurie besser abgebildet und das ist richtig. (Das Interview führte Korbinian Bauer, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund)

Kurienverfassung


Die neue Verfassung für die Zentrale der römisch-katholischen Weltkirche löst die bisherige Ordnung Papst Johannes Pauls II. von 1988, "Pastor Bonus" (Der gute Hirte) ab. Die meisten Reformmaßnahmen hat Papst Franziskus bereits verfügt. Neu sind weitere Zusammenlegungen von vier Vatikanbehörden, Mission und Neuevangelisierung sowie Bildung und Kultur, zu zweien. Als grundlegende Änderung verfügte Franziskus, dass grundsätzlich jede Kurienbehörde auch von Nichtklerikern, also auch Frauen geleitet werden kann. Angestrebt ist eine Internationalisierung der Mitarbeiterschaft der Kurie. Zudem soll diese den Ortskirchen stärker zuarbeiten. Die Veröffentlichung des Textes am 19. März kam überraschend. Das Datum war der neunte Jahrestag seiner Amtseinführung als Papst sowie Namenstag des von Franziskus verehrten heiligen Josef. Die Ordnung der römischen Kurie tritt am Pfingstsonntag (5. Juni) in Kraft. (kna)

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