mk-online: Was ändert sich alles durch die neue Kurienverfassung?
Gudrun Sailer: Es gibt eine grundsätzliche Änderung durch die neue Kurienverfassung und das ist die Neuausrichtung auf die Verkündigung – also die ganze Arbeit, die in der Kurie geleistet wird. Dort arbeiten ungefähr 2.600 Angestellte, Priester und Laien, zusammen. Diesem Ziel der Verkündigung soll nun alles untergeordnet werden. Die Verkündigung ist so etwas wie der große Magnet, der all diese kleinen Nägel, der Arbeit an der Kurie, ausrichtet. Der Titel des Dokuments zur Kurienreform trifft es genau: „Praedicate evangelium“ – verkündet die frohe Botschaft!
Frauen sollen in Zukunft auch die höchsten Ämter in der Kurie bekleiden und Dikasterien leiten können – ist das so sensationell, wie es klingt?
Ja, das ist neu. Laien und damit auch Frauen können nun Präfekten werden. Das sind die Leiter der Kurienbehörden, Minister in weltlichen Regierungen. Das hatte so direkt niemand erwartet. Die frühere Kurienverfassung „Pastor bonus“ von 1988 hatte noch definiert, dass nur Kardinäle und Bischöfe Präfekten und Präsidenten werden können. „Praedicate evangelium“ spricht nun ausdrücklich davon, dass Laien und damit auch Frauen Regierungsverantwortung in der Kurie haben können. Es gab aber schon die ein oder andere Ernennung in der neunjährigen Amtszeit von Franziskus, die diese Reform vorwegnahm. Zum Beispiel gibt’s seit 2018 einen Laienpräfekten, Paolo Ruffini im Mediendikasterium – mein Chef bei Radio Vatikan, und es gibt auch immer mehr Frauen in der zweiten und dritten Führungsebene in der Kurie. Aber die Neuverfassung öffnet nun theoretisch jedes der aktuell 16 Dikasterien für Präfekten und Präfektinnen im Laienstand. Sogar bezügliche des Staatssekretariats heißt es nicht mehr, wie in „Pastor Bonus“, dass dieses vom „Kardinalstaatssekretär“ geleitet wird. Die Rede ist stattdessen vom „Staatssekretär“ – ohne Kardinal. Da ist alles in allem sehr deutlich der Reformgedanke erkennbar: Die Kurie wird als Diensteinheit – nicht als Machteinheit – verstanden, in der es darum geht, die Verkündigung zu erleichtern. Das ist ein Auftrag an das ganze Volk Gottes. Nicht nur an Priester, Bischöfe und Kardinäle. Sondern – und das ist neu – auch an Laien. Kraft der Taufe, die allen gemeinsam ist. Dass diese Entkoppelung von Weihe und Verantwortung jetzt einmal konkret von Rom ausgeht, kann man schon mit Interesse vermerken.
Wie schnell wird man hier Ergebnisse sehen?
Papst Franziskus wird die Dinge nicht überstürzen. Er wird nicht morgen drei Präfekten entlassen und stattdessen Laien einsetzen – wozu auch? Eine Kurienverfassung, das zeigt die Erfahrung, die hält 20 oder 30 Jahre. Das neue ist doch, dass es jetzt möglich ist, aus dem ganzen Volk Gottes die besten Kräfte zu berufen – unabhängig von einer Priester- oder Bischofsweihe. Einige Präfekten gibt es aber, die aktuell schon nahe an der Pensionsgrenze sind. Hier an der Kurie wird man mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, wer ihnen nachfolgen wird.
Welche Haken hat die Sache?
Ich sehe keinen Haken und ich habe mir auch von einem Kirchenrechtler und Kurienfachmann, dem ich dieselbe Frage gestellt habe, sagen lassen: Kirchenrechtlich stimmt alles. Es gibt keinen doppelten Boden. Es wird aber vieles davon abhängen, wie gut sich die Laien in Regierungsverantwortung in den nächsten paar Jahren schlagen werden. Und es wird auch vieles davon abhängen, was ein allfälliger nächster und übernächster Papst an geteilter Verantwortung möchte.