Landshut 1475: Herzog Georg der Reiche feiert eine Prachthochzeit, von der ganz Europa spricht. Sie kann sich mit königlichen Eheschließungen im 20. und 21. Jahrhundert locker vergleichen. Zehntausend Gäste sind eingeladen, sogar der Kaiser kommt eigens nach Niederbayern. Georgs Braut heißt Hedwig oder, in ihrer Muttersprache, Jadwiga. Sie ist eine polnische Königstochter, und eine Heirat mit ihr muss sich der Bräutigam leisten können. Der 20-jährige Landshuter Herzogssohn kann es. Seinem Vater gehören ertragreiche Bergwerke in Kitzbühel und Reichenhall. Darum kann die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert auch drei große Kirchen finanzieren.
Abseits der Altstadt
Die in der heutigen Folge des Sommerrätsels gesuchte Kirche war zur Zeit der Hochzeit eine Baustelle und steht etwas abseits der Altstadt in der sogenannten Freyung. Nach einem Brand lassen die Landshuter das Gotteshaus nicht nur wiederherstellen, sondern auch erweitern. Georg und Jadwiga können in ihren ersten Ehejahren zuschauen, wie die Maurer an der Einwölbung des Mittelschiffs arbeiten. Vom Patron der Kirche hatte Jadwiga wahrscheinlich noch nie gehört: Er ist ein wenig bekannter Heiliger aus dem 7. Jahrhundert. Er lebte und wirkte in Nordfrankreich, soll ein Königssohn gewesen sein und auf seine Thronrechte verzichtet haben. Ein Landshuter Herzog erwarb Reliquien dieses Heiligen, dessen Gedenktag auf den 13. Dezember fällt.
Altäre und Kanzel sollen zwar wie aus der Zeit der Landshuter Hochzeit wirken, sind aber viel jünger. Die heutige Inneneinrichtung stammt aus den 1860er Jahren und ist im neugotischen Stil gehalten.
Mystisches Licht
Ganz anders, modern und gleichzeitig echt mittelalterlich, präsentiert sich die Krypta mit ihrem Kreuzgratgewölbe, getragen von einfachen Rundsäulen. Sie stammt noch aus der ersten Entstehungszeit der Kirche. Die Krypta ist ohne feste Bestuhlung und Bänke, der Raum kann frei atmen. Nur ein Altar ist fest in den Boden eingelassen. Dahinter steht ein filigranes Kreuz. Durch ein Fenster, das aus einer Steinplatte besteht, die zur Mitte immer dünner gearbeitet ist, fällt ein mystisches Licht auf dieses Kreuz und umfängt es. Erst vor wenigen Jahren hat die Krypta ihre heutige Gestalt erhalten. Sie zählt sicher zu den schönsten im Erzbistum München und Freising, gerade aufgrund ihrer Schlichtheit.
In diesem Sommer sind wahrscheinlich mehr Besucher in dieses Gewölbe hinabgestiegen als sonst. Schließlich hat die niederbayerische Bezirkshauptstadt wieder ihre Landshuter Hochzeit gefeiert: Das in der Regel alle vier Jahre begangene Historienfest erinnert an die Heirat von Georg und Jadwiga. Die Gäste konnten in der Krypta ein wenig Abkühlung von der Sommerhitze finden. Bestimmt haben aber auch nicht wenige die meditative Stimmung dieses Raums genossen, abseits vom Trubel der Landshuter Hochzeit. Es lohnt sich, diese Krypta kennenzulernen!
