Lebenshilfe

Wie der Glaube hilft, die Seele in Ordnung zu bringen

Ereignisse aus der Vergangenheit können einen verfolgen. Wie kann ich lernen, damit umzugehen? Wann ist professionelle Hilfe sinnvoll? Und: Wie lässt sich mit der eigenen Schuld umgehen? Sibylle Loew berät seit vielen Jahren Menschen in Krisensituationen. Sie sieht in solchen Momenten auch den Glauben als Kraftquelle.

Der Glaube kann helfen, die Seele in Ordnung zu halten. © Егор Фомин - stock.adobe.com

mk online: Manche Menschen belasten Ereignisse aus der Vergangenheit, die Jahrzehnte zurückliegen, bis in die Gegenwart. Wie können sie sich von solchen „Altlasten“ befreien?

Loew: Man kann unterschiedlich damit umgehen. Generell sollte man entscheiden, ob es belastende Ereignisse sind, die einen einmaligen Charakter haben, oder ob es wirklich sehr lang andauernde Belastungen sind. Man spricht dann in der Psychologie von tiefer greifenden Störungen wie Bindungsstörungen, wenn ich als Kind beispielsweise einen Elternteil verloren oder Gewalt erlebt habe. Wenn es eine länger anhaltende Geschichte ist, würde ich auf jeden Fall empfehlen, dass man sich therapeutische Hilfe sucht. Wenn es ein schon länger zurückliegender Konflikt in der Familie ist, wäre es auch möglich, dass man sich dieser Auseinandersetzung mit eigener Reflexion oder mit Hilfe einer Beratungsstelle nähert.

Ist unbedingt professionelle Hilfe erforderlich? Oder kann man auch mit Freunden oder Verwandten darüber sprechen?

Loew: Das ist das Allerbeste, wenn wir ein soziales Netz haben, mit dem wir offen sprechen können. Das sollte man in jedem Fall immer zuerst nutzen. Manchmal sind Freunde auch zu nahe dran, emotional mit verwickelt, parteiisch. Jemand Unabhängiger mit einer kristischen Distanz kann da auch mal hilfreich sein.

Zur Person


Sybille Loew ist Katholische Leiterin der Lebens- und Krisenberatung „Münchner Insel“.

Bleiben wir beim Beispiel eines familiären Konflikts: Woher lässt sich die Kraft nehmen, nach Jahren des Schweigens oder Streitens einen ersten Schritt in Richtung Versöhnung zu gehen?

Loew: Es ist gut, wenn ich mir Zeit nehme, mich hinzusetzen und das Ganze nochmal zu reflektieren. Ich muss dann natürlich auch schauen: Was habe ich für eigene Anteile? Was habe ich denn zu dem Konflikt beigetragen? Was hat die andere Seite dazu beigetragen? Wo gab es möglicherweise Missverständnisse? Dann kann ich mir den Mut nehmen und sagen: Jetzt rufe ich da nochmal an. Was wir auch oft empfehlen, ist, einen Brief zu schreiben. Das hat den Vorteil: Beide Seiten haben ein bisschen Distanz. Natürlich steht das, was ich da hinschreibe, schwarz auf weiß da. Ideal wäre, wenn ich versuche, erst einmal zu würdigen, was ich am anderen gut finde, in Ich-Botschaften sage, was mich verletzt hat und wo ich meine eigenen Anteile sehe, und was ich mir wünsche. Wenn so etwas gelingt, dann hat man zumindest eine Chance, dass der oder die andere erst mal damit beschäftigt ist, darauf eingeht, darüber nachdenkt. Ich glaube, das wird erst mal niemanden kalt lassen. Ob es dann zu einer Versöhnung kommt, das mag dahingestellt sein. Wenn beide Seite zu einem Gespräch bereit wären, könnte man sich professionelle Unterstützung holen. Eine Beraterin oder ein Berater würde dann darauf achten, dass man nicht in eine Schleife von Wut, Aggressionen und Entwertung verfällt, sondern dass es klare Gesprächsregeln gibt.

Sie haben es schon angesprochen: Wie lässt sich mit eigener Schuld umgehen? Welche Rolle spielt dabei die Beichte?

Loew: Bei eigener Schuld mache ich oft die Erfahrung, dass man unterscheiden muss zwischen Schuldgefühl und Schuld. Wir haben oft Schuldgefühle. Eine Schuld ist etwas, wo ich willentlich dem anderen geschadet habe, sei es, dass ich etwas getan, gesagt habe, was den anderen verletzt hat, oder auch, dass ich etwas unterlassen habe, dass ich nicht geholfen habe, dass ich nicht Partei ergriffen habe, dass ich mich nicht eingesetzt habe. Da muss ich gründlich unterscheiden. Wenn wirklich Schuld vorliegt, dann ist es natürlich wichtig, dass ich mich der auch stelle. Dann ist es gut, was in der Beichte ja auch passiert, dass ich sie benenne, bekenne und bereue und mich in Gottes Hand lege. Diese wundervolle Möglichkeit, dass Gott uns annimmt, wie wir sind, auch in unserem Scheitern und unserer Schuld, und uns Vergebung zuspricht, das finde ich ein tolles Geschenk. Und es ist wichtig zu sagen: „In Zukunft versuche ich’s besser zu machen.“

Wie kann man das schaffen, es in Zukunft besser zu machen? Wie kann man dem Leben nochmal eine andere Richtung geben, wenn in der Vergangenheit vieles schiefgelaufen ist?

Sybille Loew: Ich denke, dass ich da natürlich bei mir anfangen muss. Mache ich etwas nur, damit es andere gut finden? Oder mache ich es wirklich für mich, dass ich mir denke: „Ich will mich ändern. Ich will da eine andere Haltung dazu kriegen. Ich will einen Neuanfang machen. Ich will ehrlich zu mir und damit natürlich auch zu anderen sein.“? Ich komme da immer wieder zu diesem „Wie weit bin ich bereit, mich zu reflektieren?“. Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was bringe ich mit? Wo kann ich etwas anschauen und den Mut haben, es mal anders zu machen? Beispielsweise in einem Konflikt mit Freundinnen: Vielleicht ärgert mich immer irgendwas, was die Freundin macht, ich sage aber nie etwas. Vielleicht habe ich dann den Mut, zu sagen: „Darf ich dich nochmal ansprechen? Mir geht unser letztes Gespräch noch nach. Mich hat diese Aussage irritiert, verunsichert oder verletzt. Was hast du denn da gemeint? Habe ich dich falsch verstanden?“ Das könnte etwas ganz Neues sein: Ich sprech’s mal an. Das könnte ein Versuch sein und vielleicht gelingt er ja auch.

Kann man dazu auch Kraft aus dem Glauben schöpfen?

Loew: Ich denke, schon. Ich finde die Geschichte vom verlorenen Sohn so schön. Der Vater freut sich einfach nur, dass er wiederkommt, dass da jemand umgekehrt ist. Ich denke, das ist ganz wunderbar, wenn wir unser Scheitern oder unsere Schuld in Gottes Hände legen können. Wir können das im Gebet formulieren. Vielleicht geben uns die Psalmen Trost. Vielleicht lesen wir die Hiob-Geschichte und merken, wir können mit Gott auch hadern, wir können auch zweifeln, wir können aber Gott als Begleitung erleben. Ich denke, Gott ist in dem Leid, das nun mal Teil des Lebens ist, einer, der an unserer Seite ist, der in Christus das ja auch durchlebt hat. Das ist die Zusage: Ich bin der Ich-bin-da. Das kann einen sehr stärken, wenn man da einen Zugang dazu hat. (Das Interview führte Karin Hammermaier, Redakteurin bei der Münchner Kirchenzeitung)
 

Fünf Tipps für ein ordentliches Leben


1. Seien Sie zur Selbstreflexion bereit!
2. Suchen Sie das Gespräch!
3. Zeigen Sie sich selbst und anderen gegenüber Respekt!
4. Nehmen Sie Freudiges und Schönes wahr!
5. Stärken Sie Ihre eigenen Ressourcen! Schauen Sie also: Was kann ich mir Gutes tun? Aus welchen Quellen und Werten – dem Glauben, der Natur, der Beziehung, der Freundschaft, der Liebe – lebe ich und wie pflege ich diese?

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