Es beginnt mit schrillen Rückkoppelungen und technischen Pannen. Es war ein schlechtes Omen für die vierte Versammlung des Synodalen Weg. Denn die Störgeräusche im Saal Harmonie des Congress Centers in Frankfurt sind damit nicht vorbei. Sie schwellen so stark an, dass es den anwesenden 209 Delegierten in den Ohren klingelt und es mit der Harmonie vorbei ist. Dafür ist allerdings nicht mehr die Technik verantwortlich, sondern die Synodalversammlung selbst. Schon der erste Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen- Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ fällt bei der Abstimmung durch. Er betrachtet etwa gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder Masturbation nicht automatisch als Sünde. Denn sexuelle Verhaltensweisen seien in der Regel angeboren oder nicht immer willentlich zu steuern. Bei der Aussprache zu diesem Text herrscht der Eindruck, dass er wohl durch die Abstimmung kommt. Tatsächlich votierten 82 Prozent der Delegierten für diesen richtungsweisenden Text. Doch dann sorgt die in der Geschäftsordnung festgelegte Sperrminorität der Bischöfe für Bestürzung: Deren Votum wird gesondert erhoben und zwei Drittel von ihnen müssen jeden abschließend besprochenen Text absegnen. Aber nur rund 60 Prozent der anwesenden Bischöfe stimmen zu, das ist zu wenig.
Text zur Sexualmoral abgelehnt: Verzweiflung und Solidaritär mit Betroffenen
Ein Ergebnis, das bei einigen Synodalen Tränen und Verzweiflungsausbrüche auslöst, die nach dieser Dissonanz den Saal Harmonie verlassen. „Da würde ich jetzt am liebsten mitgehen, denn diesen Menschen ist wieder einmal gesagt worden, dass sie wegen ihrer Sexualität von kirchlichen Amtsträgern ausgeschlossen und diskriminiert werden“, sagt die Münchner Stadträtin Gudrun Lux, die als Mitglied des ZdK in die Synodalversammlung sitzt. Auch Weihbischof Wolfgang Bischof spricht von einem „großen Schock“ und betont gleichzeitig, dass doch 60 Prozent der Bischöfe dem Text zugestimmt hätten. Und Kardinal Reinhard Marx reiht sich demonstrativ in einen Kreis ein, der sich spontan gebildet hat, um Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Die Ablehnung ist ein Knalleffekt: die Leitung der Synodalversammlung unterbricht die Tagesordnung, setzt eine Aussprache an und in der hagelt es Kritik. Einige Bischöfe hätten die Synodalversammlung ins offene Messer laufen lassen, ihre Kritik im Vorfeld nicht oder nicht ausreichend gemeldet. Der Passauer Bischof Stefan Oster wollte das als Vertreter der konservativen Sperrminorität nicht auf sich sitzen lassen: „Ich habe in der ganzen Debatte und im vorbereitenden Forum meine Ablehnung vor der Abstimmung deutlich gemacht.“ Er verteidigt sein Nein zu dem vorgelegten Reformtext, weil er nach wie vor die Ehe für den angemessensten und natürlichen Ort menschlicher Sexualität halte. Das sei keine „menschenfeindliche Position“. Und er beklagt, „dass es nicht leicht ist, als Anhänger der Minderheit offen seine Position in dieser Versammlung zu vertreten“. Und räumt gleichzeitig ein, dass er durch die Arbeit im Vorbereitungsforum viel gelernt habe. Die Kirche müsse bei Äußerungen zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen viel mehr differenzieren. Trotzdem droht an diesem Donnerstagabend nicht nur die englische Königin, sondern auch der Synodale Weg zu sterben.
Synodaler Weg vor dem Scheitern
Niemandem ist klar, wie es nun weitergehen soll. Zum ersten Mal in der Geschichte des Synodalen Wegs kommen die Bischöfe und die Laienvertreter in jeweils getrennten Gruppen zu Krisensitzungen ohne Medien zusammen und schlagen sich die Nacht um die Ohren. Jedem ist die Dramatik der Lage klar, aber niemand weiß, wie es jetzt weitergehen soll. Am anderen Morgen sind nicht nur übermüdete, sondern auch besorgte und ernste Gesichter zu sehen. Pastoralreferent Konstantin Bischoff erzählt auf dem Weg zur nächsten Debatten- und Abstimmungsrunde, dass er noch in der Nacht viele Nachrichten aus seiner Gemeinde Herz-Jesu in München bekommen hat: „Gerade auch von Gläubigen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung und die wollen unbedingt, dass wir im Synodalen Weg weitermachen.“
Aber am Freitag könnte es zu einer weiteren Ablehnung eines richtungsweisenden Grundtextes kommen: "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Das Papier fordert eine deutlich stärkere Geschlechtergerechtigkeit, die auch Weiheämter nicht per se ausschließt. Dieses Mal ist die Aussprache lebhaft. Viele Bischöfe haben es sich zu Herzen genommen, dass sie am Abend zuvor erst in der geheimen Abstimmung ihre Meinung haben erkennen lassen. Eine starke Minderheit, unter ihnen auch der Münchner Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg, will dem Text nicht zustimmen. Sie erinnert an verbindliche Lehraussagen von Papst Johannes Paul II., die Weiheämter für Frauen klar ablehnen. Es sei nicht „sittenwidrig“, sagt der Weibischof, sich diesen Lehraussagen verpflichtet zu zeigen. Kardinal Reinhard Marx unterstützt den Text dagegen: Er hält es „für nicht durchführbar“, die Diskussion um die Frauenfrage in der Kirche schlicht für beendet zu erklären. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Bischöfe für den Text scheint aber dennoch ausgeschlossen zu sein.