Zölibat und Homosexualität
Als Matzko ankündigt, sie wolle mit den beiden Kirchenmännern jetzt über Sex reden, erwidert Schießler im gewohnt selbstironischen Stil: „Ich geh dann“ – um dann aber doch ernste Töne anklingen zu lassen. Der Pfarrer verteidigt den Zölibat trotz „unsäglicher dunkler Stunden und Anfechtungen“, die er als einsamer junger Priester erlebt habe, als „unglaubliche Herausforderung und Geschenk“ – sofern man in ein soziales Umfeld eingebunden und vor Vereinsamung geschützt sei. Der Zölibat dürfe aber Priesteranwärtern zukünftig nicht mehr als Pflicht aufgezwungen werden, sondern müsse freiwillig sein.
Den vielleicht bewegendsten Moment des Abends leitet die Moderatorin ein, als sie Alof fragt, warum er der Kirche nicht schon längst den Rücken gekehrt habe, obwohl er als bekennender Homosexueller seit Jahrzehnten mit Widerständen und Anfeindungen zu kämpfen habe. „Ich kann, ich werde und ich will aus der Kirche nicht austreten, weil ich aus meinem Leben nicht austreten kann. Und ich werde mir von niemandem vorschreiben lasse, wen ich zu lieben habe“, stellt Alof klar und fährt nach dem Applaus des Publikums fort: „Ich bin Priester – seit meiner Taufe, so wie ihr auch. Und das, was ich mache, mache ich als Priester meiner geliebten katholischen Kirche.“
Kritik und viel Zuspruch
Im Buch wie auch beim Podiumsgespräch fällt auf, dass Schießler sich immer wieder an seinen Kritikern abarbeitet und Bedenken zerstreuen möchte. Die Vorwürfe, dass er nur das Rampenlicht suche oder nicht mehr wirklich katholisch sei, scheinen den Pfarrer vielleicht doch mehr zu treffen, als es sein selbstbewusstes Auftreten vermuten lässt. „Wir sind keine Kirchenreformer und erst recht keine Rebellen“, beteuert er im Buch; „wir wollen keine Revolution“, versichert er am Abend der Buchpräsentation. Und: „Unsere Liturgie ist schon katholisch! Nicht dass einer glaubt, wir hätten unseren eigenen Laden hier aufgemacht.“
Man ahnt: Einerseits jenes „Urkatholische“ an der Kirche, wie sie Schießler in seiner Kindheit und Jugend als erfüllend, beheimatend und befreiend erlebt hat, zu bewahren und selbst zu verkörpern, sich andererseits aber verpflichtet zu fühlen, „das Bewusstsein von Kirche zu verändern“ und angesichts von Verkrustungen und Skandalen völlig neue pastorale Wege zu gehen – das fällt dem rührigen Kirchenmann nicht immer leicht.
Doch immer wieder gibt ihm der Zuspruch vonseiten der Gläubigen recht, die teils von weit her zu den Gottesdiensten anreisen und die Pfarrkirche füllen. Er ist sich sicher: „Die Menschen brauchen uns“, und lässt keinen Zweifel daran, dass er noch längst nicht fertig ist mit seiner Mission. Zwei weitere Bücher, verrät er auf Nachfrage, sind schon in Arbeit. (Joachim Burghardt)