Wenn Heribert Prantl über Zivilcourage spricht, bekommt man keine Heldengeschichten zu hören. Er redet nicht todesmutigen Rettern oder heroischen Heiligenfiguren das Wort, die Leib und Leben riskieren, um für höhere Ideale einzustehen. Prantl geht es vielmehr um eine Zivilcourage des alltäglichen Lebens, die allen zugänglich und verständlich ist.
Ganzheitlicher Blick auf gesellschaftliche Themen
Im exklusiven Gespräch im Medienhaus Sankt Michaelsbund erzählte der bekannte Publizist, Kommentator und Jurist von seinen großen Lebensthemen – Gerechtigkeit, Grund- und Bürgerrechte, Solidarität, Integration, Flucht und Migration, Heimat, Wiedervereinigung, Gleichberechtigung und Glaube –, die alle auf die eine oder andere Art zusammenhängen und um den Kern einer couragierten, aufrechten Haltung kreisen.
Nach seinem Verständnis von Zivilcourage gefragt, fielen ihm zuerst Pflegekräfte ein, ehrenamtlich Engagierte, Mitglieder von „Pro Asyl“ etwa, oder solche, die sich der Integration von Flüchtlingen oder der Betreuung von Kindern widmeten. Zivilcourage ist für ihn ein achtsames und beherztes Zugewandtsein dem Mitmenschen gegenüber – und sie ist nicht Helden vorbehalten, sondern steht der Standfrau auf dem Viktualienmarkt ebenso offen wie dem Jura-Professor.
Ein Journalismus, der zum Nachdenken bringt
Dass Prantl mit vielen seiner Aussagen zum Nachdenken bringt, liegt nicht nur am gekonnten journalistischen Wortwitz und dem souveränen Gebrauch rhetorischer Stilmittel einschließlich der Überspitzung. Er verblüfft auch dadurch, dass er tatsächlich gedankliche Horizonte öffnet und die Erkenntnis reifen lässt: Couragiert sein, das kann ja auch ich! Zukunft gestalten im Kleinen, anstatt zu jammern, das kann ja auch ich! Gegen den Strom schwimmen, ohne gleich dessen Richtung ändern zu müssen, das kann ja auch ich!
Aber gab es früher nicht mehr Zivilcourage? Nein, sagte Prantl gegenüber mk-online, „wir haben eine sehr zivilcouragierte Gesellschaft, viele Menschen wollen sich engagieren!“ Er wehre sich dagegen, in das Klagelied mit einzustimmen, demzufolge die Werte immer mehr verfielen. Aber hat er mit seinem jahrzehntelangen Anschreiben gegen Unfreiheit, Benachteiligung und Hass irgendetwas erreicht? Hat sich die Behandlung von Flüchtlingen durch seine vielen Leitartikel gebessert? Vielleicht nicht, räumt Prantl ein, aber es sei dennoch seine Pflicht, zu schreiben – allein schon, um all den Engagierten den Rücken zu stärken.
Eine neue Reformation für die Kirche
Dass eine zivilcouragierte Haltung nicht nur in Alltagshandlungen, sondern auch in große Forderungen münden kann, wurde im Gespräch freilich auch deutlich: Heribert Prantl plädierte für weniger Arbeitszeit, damit mehr Freiräume für soziales Engagement blieben. Er warb für einen „pragmatischen Realismus“ im Ukraine-Krieg, was als Votum für ergebnisoffene Verhandlungen verstanden werden konnte. Und für die katholische Kirche wünschte er sich – zwischen unauflöslicher, seit Kindestagen beseelter Kirchenzugehörigkeit und scharfer Kritik an der Amtskirche hin und her gerissen – nicht weniger als eine „neue Reformation“.