Neues Buch über Weihnachten in der Popmusik

Geburt Christi wird in Weihnachtspopsongs meist ignoriert

Alle Jahre wieder: Um Weihnachten herum sind im Radio und beim Einkaufen ständig dieselben Lieder zu hören. "Last Christmas" von Wham! etwa, oder Mariah Careys "All I Want For Christmas Is You". Die meisten Songs ignorieren dabei die Geburt Christi.

In Weihnachtspopsongs spielt die Geburt Christi keine Rolle. © alexkich - stock.adobe.com

Michael Winkelmann hat das neue Buch "Last Christmas - Weihnachten in der Popmusik" herausgegeben. Im Interview spricht der Referent für Programmentwicklung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt darüber, warum Weihnachtspopsongs die Geburt Jesu meist ignorieren und welcher Titel mal auf dem Index stand.

 

Herr Winklmann, stimmt das Gerücht, dass "Last Christmas" - das wohl berühmteste Weihnachtspoplied überhaupt - eigentlich zu Ostern erscheinen sollte?

Michael Winklmann: Nein, es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Lied ursprünglich "Last Easter" hätte heißen sollen. Ich weiß auch nicht, woher das Gerücht rührt. Es ist aber weit verbreitet und sagt Wesentliches über den Titel aus: Denn es könnte dieses Gerücht ja nicht geben, wenn man den Song nicht einfach unter anderer Überschrift singen könnte, wenn also "Last Christmas" etwas mit Weihnachten zu tun hätte.

Wie meinen Sie das?

Winklmann: Es geht in "Last Christmas" ja um eine unglückliche Liebesbeziehung. Um davon zu erzählen, braucht es kein Weihnachtsfest. Aber klar: Vor dem Weihnachtshintergrund bekommt Liebeskummer eine größere Fallhöhe. Das Fest wird also funktionalisiert.

Dabei gilt Weihnachten doch als "Fest der Liebe".

Winklmann: Ja, weil es das Fest der Geburt Jesu ist, den Gott aus Liebe zu den Menschen zu deren Erlösung auf die Erde gesandt hat.

... wovon in den meisten Weihnachtspopliedern keine Rede ist, wie in Ihrem Buch steht. Warum nicht?

Winklmann: Zunächst mal: Das ist kein neues Phänomen. Denken Sie an "O Tannenbaum". Das Werk mit Wurzeln im 16. Jahrhundert wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zum Weihnachtslied. Darin stehen Naturbeschreibungen und Nachdenklichkeit, aber keine religiösen Bezüge. Dasselbe bei "Jingle Bells", das 1889 als erstes Weihnachtslied überhaupt auf einem Tonträger aufgenommen wurde - das ist eigentlich ein Lied über ein Schlittenrennen. Andererseits gilt: Es gibt durchaus Weihnachtspopsongs, die sich mit dem religiösen Charakter des Festes ernsthaft auseinandersetzen, etwa von John Fahey und Sufjan Stevens. Aber das ist kein Mainstream.

Wieso also verzichten "Jingle Bells" und Co. auf Jesus?

Winklmann: Vielleicht wird der religiöse Hintergrund einfach vorausgesetzt. Insbesondere früher dürfte das gegolten haben. Außerdem sollen Weihnachtspoplieder sich natürlich verkaufen und deshalb möglichst viele Menschen ansprechen, nicht nur Christen. Hinzu kommt: Popkultur knüpft an die Umstände an, unter denen viele Menschen leben - und viele Menschen feiern Weihnachten seit jeher nicht nur als religiöses Fest, sondern vor allem als Fest der Familie. Was ja auch historisch passt: Die frühe Kirche hat Weihnachten nicht zelebriert, das Fest entstand später durch Integration saisonaler Feiern wie der Wintersonnenwende.

Wenn man Jesu Geburt ignoriert, verliert Weihnachten auch etwas von der damit verbundenen Fröhlichkeit, die für manche Menschen eher Druck als gute Laune bedeuten mag.

Winklmann: Richtig. Es gibt zum Beispiel einsame Menschen, für die Weihnachten wohl eher keine Zeit von Frohmut ist. Daran erinnert etwa das Album "A Very Chilly Christmas". Der kanadische Jazzpianist Chilly Gonzales spielt darauf bekannte Weihnachtssongs in Moll, also in gedämpfter Tonalität. Gonzales hat das Album in der Pandemie aufgenommen. Davon abgesehen war für ihn Weihnachten nach eigener Auskunft schon immer eine Zeit der Melancholie und Reflexion. Diesen Zugang zu Weihnachten gibt es eben auch. "Last Christmas" ist auf dem Album übrigens auch drauf.

Warum fühlen sich eigentlich so viele Menschen von diesem Lied so genervt? Von "Last Christmas" im Besonderen, aber auch von Weihnachtspopliedern im Allgemeinen?

Winklmann: Ich denke, es hat damit zu tun, dass man seit Jahrzehnten immer wieder dieselbe Musik im Radio und im Supermarkt vorgespielt bekommt: ein paar wenige Lieder aus den 80er und 90er Jahren. Mariah Careys "All I Want For Christmas Is You" ist beispielsweise von 1994 - und seit Erscheinen in der Weihnachtszeit jedes Jahr auf Platz 1 der US-Billboard-Charts. Das ist ja ein Indikator dafür, wie häufig ein Lied gespielt wird. Da finde ich es nachvollziehbar, dass manche Leute im Advent "Whamageddon" oder "Mariahpocalypse" spielen. Es gewinnt, wer es schafft, die größten Weihnachtshits nicht zu hören - ein unmögliches Unterfangen.

Wenn diese Lieder es aber immer wieder in die Charts schaffen, muss sie doch wohl auch jemand mögen?

Winklmann: Auf jeden Fall, das zeigen inzwischen auch Streamingdaten. Die Leute, die sich über "Last Christmas" und so weiter aufregen, sind eine laute Minderheit.

Apropos aufregen: Ein Weihnachtslied hat's sogar schon auf den Index geschafft, wie in Ihrem Buch zu lesen ist.

Winklmann: Ja, "Frohes Fest" der Fantastischen Vier war das erste Hip-Hop-Lied, das 1993 in Deutschland in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen wurde. Der Titel prangert gesellschaftliche Missstände in rustikaler Sprache an, da geht's um Drogenmissbrauch und eheliche Untreue, alles vor weihnachtlichem Hintergrund. Das im Radio zu senden, wurde damals verboten.

Würde das heute auch noch passieren?

Winklmann: Wohl kaum. 30 Jahre später laufen viel schlimmere Formulierungen im Radio, ohne dass sich daran jemand stören würde. "Frohes Fest" wurde vom Index auch wieder heruntergenommen. Längst gibt es viel krassere Antiweihnachtslieder, zum Beispiel blasphemischste Texte in den härteren Spielarten des Metal. Das mag zeigen, dass Weihnachten - und überhaupt alles, was mit Religion zu tun hat - nicht mehr unantastbar ist. Das zeigt aber auch: Keiner entkommt der Auseinandersetzung mit diesem Fest.

Warum ist das so?

Winklmann: Weil dazu die allermeisten Menschen wenigstens in unserer westlichen Welt eine enge Bindung haben, ob die nun positiv ist oder negativ. (Das Interview führte die Katholische-Nachrichten-Agentur)

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