Vor 150 Jahren starb Philosoph Feuerbach

Gott – eine Erfindung des Menschen?

1841 hat Feuerbach sein religionskritisches Hauptwerk "Das Wesen des Christentums" publiziert. Seine These: Gott ist eine Projektion des Menschen.

Ludwig Feuerbach (1804-1872) © imago/Danita Delimont

Eigentlich ist die bayerische Polizei daran schuld, dass der Philosoph Ludwig Feuerbach nirgendwo in Deutschland einen Lehrstuhl bekam und auch in Paris, Bern und Griechenland keine Anstellung finden konnte. Denn Feuerbachs 1830 anonym erschienene Schrift „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“ schien den Behörden wegen der darin enthaltenen Leugnung des Weiterlebens der Seele so brisant, dass man die wenigen Exemplare polizeilich beschlagnahmen ließ.

Dabei war der 1804 in Landshut als Sohn des berühmten Strafrechtlers Anselm Feuerbach geborene Ludwig ein an allen religiösen Fragen brennend interessiertes Kind gewesen. Katholisch getauft, protestantisch erzogen, widmete er sich in der Schule der Bibel sowie der griechischen und hebräischen Sprache. Er konnte dem Religionsunterricht aber nichts abgewinnen und wollte Pfarrer „auf dem Standpunkt denkender Religiosität“ werden. Auch das Studium der protestantischen Theologie in Heidelberg frustrierte ihn – und trieb ihn in die Arme der Philosophie: Sieben Jahre nach der Veröffentlichung seines Skandalbuchs nahm Feuerbachs Leben eine glückliche Wendung: Er heiratete die Mitbesitzerin einer kleinen Porzellanfabrik bei Ansbach und hatte nun wenigstens sein Auskommen als zurückgezogen lebender Privatgelehrter.

Der Mensch erfindet ein allmächtiges Wesen

1841 publizierte er sein religionskritisches Hauptwerk „Das Wesen des Christentums“. Seine These: Gott ist eine Projektion des Menschen. Weil er es nicht ertragen kann, unvollkommen und endlich zu sein, erfindet der Mensch ein vollkommenes, allmächtiges, unsterbliches Wesen. 1844 ein Schicksalsschlag: Feuerbachs Tochter Mathilde starb im Alter von drei Jahren; ihr Tod zerstörte bei ihm endgültig jede Hoffnung auf einen guten und gerechten Gott. Könnte es sonst die „blinde, kalte, gefühllose Macht“ des Todes geben? „Sie zertritt die Knospe, ehe sie sich zur Blume entfaltet.“ Im Revolutionsjahr 1848 hielt der ewige Privatdozent – der die Umwälzungen als „Kommunist“ begrüßte, aber jede Gewalt ablehnte – im Saal des Heidelberger Rathauses aufsehenerregende Vorlesungen über das „Wesen der Religion“.

1860 ging die Porzellanfabrik bankrott, seine Frau starb, die Erben ließen ihn enteignen, Feuerbach versank in Armut. Am 13. September 1872, vor 150 Jahren, starb er nach einem Schlaganfall 64-jährig; kurz zuvor war er noch in die Sozialdemokratische Partei eingetreten. Nürnberger Arbeiter trugen ihn zu Grabe.

Zerrbild von Gott?

Mittlerweile wissen Kirche und Theologie, was sie dem bissigsten und radikalsten aller Religionskritiker des 19. Jahrhunderts verdanken. Vielen naiven Christenmenschen hat er die Augen geöffnet: Haben wir Gott tatsächlich auf die bequeme Projektion eigener Bedürfnisse und Wünsche reduziert? Bibel und kirchliche Tradition zeichnen einen ganz anderen Gott: einen Gott, der sich nicht nach Menschenmaß zurechtmodeln lässt, nicht manipulierbar ist. Einen Gott, der Überraschungen bereithält und menschliche Moralnormen, Feindbilder und Obsessionen ebenso lästig wie befreiend durchkreuzt. Einen Gott auch, der den Menschen nicht klein und schwach halten muss, um selbst strahlen zu können, sondern das Glück seiner Geschöpfe will, Mut macht, Kraft gibt, Selbstbewusstsein schenkt.

Natürlich muss sich auch der geniale Philosoph kritische Fragen gefallen lassen. Hat er den von Bibel und Theologie verkündeten Gott nicht allzu gern mit einem armseligen Zerrbild verwechselt? Sein Umgang mit den Quellen erscheint oft tendenziös, seine Begriffe bleiben unklar. Von der „allgemeinen“ guten Menschennatur spricht er wie von einem Glaubenssatz, sein Fortschrittsoptimismus klingt naiv.

Und dann: Gott mag durchaus mit menschlichen Bedürfnissen und Wunschbildern zusammenfallen – beweist das schon, dass es ihn nicht gibt? Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe, Geborgenheit, Anerkennung – ist deshalb eine schöne zwischenmenschliche Beziehung, wenn sie gelingt, nichts als Projektion? Ist das Brot lediglich das Produkt des Hungers und das Licht bloß eine Erfindung der Augen? (Christian Feldmann)

Buchtipp

Ludwig Feuerbach: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit

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