München – Montag, 16. August 2017. Am Abend zuvor hat Marie Musso* noch Alkohol getrunken. So wie jeden Abend ab 18 Uhr: Zwei Flaschen Wein und Bier waren die Regel. Doch an diesem Morgen stand sie auf und entschied: „Das war´s“. Der Entschluss fiel nicht spontan. Einige Wochen vorher hat sie eine Therapie wegen familiärer Konflikte begonnen und ihr Therapeut hat sie auf ihr „problematisches Alkoholverhalten“ hingewiesen. Letztlich hat er das ausgesprochen, was die 58-Jährige tief im Inneren schon wusste. Gleichzeitig hat er ihr deutlich gemacht, dass er sie nur behandelt, wenn sie trocken ist. Das war für Musso der Auslöser, um sich zu informieren. Hilfe fand sie bei der Fachambulanz der Caritas für erwachsene Suchtkranke. Bevor sie die ambulante Therapie beginnen konnte, war die Teilnahme an einer sogenannten Motivationsgruppe erforderlich. Für die Teilnahme ist es Voraussetzung, sieben Tage trocken zu sein. Deshalb hörte Marie Musso an diesem Montag im August auf zu trinken. In der darauffolgenden Woche besuchte sie zum ersten Mal die Motivationsgruppe. Damit begann ihr Weg aus der Alkoholsucht.
Alkohol zum Stressabbau
Marie Musso ist Anwältin: „Ein Beruf mit viel Konfliktpotenzial“. Zu ihrer Mentalität passe das nicht, sagt Musso. Wenn sie sich überfordert oder gestresst gefühlt habe, habe sie früher getrunken. Das war bereits während Jurastudiums Mitte der 90er Jahre der Fall. Der Druck im Studium war hoch, sie hatte ein kleines Kind, ihr Mann war weit weg und gleichzeitig gab es familiäre Probleme: Sie griff zum Alkohol „um runterzukommen und Stress auszuhalten“. Der Alkohol war in dem Moment eine Hilfe, um mit der Überforderung klar zu kommen. Wie Musso biete der Alkohol vielen Menschen zunächst auch eine Unterstützung, sagt Sozialpädagogin Inga Hart, stellvertretende Leiterin der Fachambulanz. In der Therapie müssten sie lernen, dafür einen Ersatz zu finden. Es müssten positive Erfahrungen mit Abstinenz gemacht werden, damit die Motivation bleibe, so Hart.
Ein Leben mit Alkohol, beschreibt Marie Musso, sei wie im Nebel. Am späten Vormittag sei sie mit „einem Schädel aufgewacht“, Frühstücken oder Kaffee trinken sei nicht möglich gewesen. Sie konnte sich schlecht konzentrieren, sodass die Arbeit doppelt so anstrengend gewesen sei: „Effektiv gearbeitet habe ich erst ab nachmittags.“ Da sie selbstständig tätig ist, ist das niemandem aufgefallen.