München – Fast genau zwei Jahre ist es her, dass sich 125 Mitarbeiter der Kirche im Rahmen der Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" als queer geoutet haben. “Queer“, das heißt also lesbisch, schwul, bisexuell, transgender oder nichtbinär. Obwohl das kollektive Coming-Out damals arbeitsrechtliche Konsequenzen hätte haben können - bis hin zur Kündigung. Denn Beschäftigte der Kirche gehen mit ihrem Arbeitsvertrag auch Loyalitätsverpflichtungen ein, die damals noch vorsahen, dass Arbeitnehmer ihr Leben an der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre ausrichten.
Ein paar Monate nach OutInChurch veränderten die deutschen Bischöfe das kirchliche Arbeitsrecht. Seitdem dürfen das Beziehungsleben und die Intimsphäre der Mitarbeiter keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten. Durch OutInChurch hat sich also einiges getan, was den Umgang mit queeren Personen in der Kirche betrifft. Das sagt zumindest Ruth Kaufmann, Bereichsleiterin der katholischen Jugendarbeit im Erzbischöflichen Jugendamt und Mitglied im AK Regenbogenpastoral: „Vielen Kollegen, die sich vorher mit der Lebensweise von queeren Personen nicht beschäftigt haben, wurde dadurch bewusst, wie viel Leid die Betroffenen aushalten und wie sehr sie sich verstecken mussten.“
Keine “Ehe für Alle“ in der Kirche
Von Gleichberechtigung kann aber noch nicht die Rede sein. Das lässt sich deutlich am Thema „Heirat“ festmachen: Während heterosexuelle Männer und Frauen vor den Traualtar treten können, gibt es für gleichgeschlechtliche Paare nichts Vergleichbares. Über die Öffnung des Sakraments der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gibt es nicht einmal eine echte Debatte.
Zwar erlaubte Papst Franziskus vor rund einem Monat überraschend die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Jedoch nicht ohne zu betonen, dass dabei eine Verwechslung mit einer Eheschließung stets ausgeschlossen werden muss, der Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilt werden darf, und damit keinesfalls eine Änderung der katholischen Lehre einhergeht. Außerdem regte sich in der Weltkirche erheblicher Widerstand gegen die Entscheidung aus dem Vatikan.
Transpersonen heute am stärksten von Diskriminierung betroffen
Ruth Kaufmann, die selbst standesamtlich mit einer Frau verheiratet ist, erkennt zwar den Fortschritt an, bemängelt aber vor allem den Umgang von kirchlichen Seelsorgern mit transgeschlechtlichen Menschen sowie nichtbinären Personen: „Die werden überhaupt nicht akzeptiert. Ich verstehe nicht, warum man eine Transperson dazu nötigt, ihren abgelegten Namen hören zu müssen, nur weil dieser in der Taufurkunde steht.“ Kaufmann hat in ihrer Arbeit als Jugendreferentin schon einige junge Leute auf deren queeren Wegen begleitet. Sie sagt: „Menschen beim Namen zu rufen, ist etwas ur-biblisches. Das einem Menschen zu verweigern, verletzt ihn.“
Bei lesbischen Frauen geht es heutzutage weniger um fehlende Akzeptanz, sondern vor allem um fehlende Sichtbarkeit. Diese liegt laut Kaufmann weniger an der Sexualität, sondern vielmehr am Geschlecht. Da es Frauen generell an Sichtbarkeit in der Kirche mangelt, da sie bisher keine Weiheämter besetzen dürfen, mangelt es automatisch auch lesbischen Frauen an Sichtbarkeit.
Optimismus bleibt bestehen
Um auch auf diese Problematik hinzuweisen, nimmt Kaufmann am nächsten Mittwoch bei einem Podiumsgespräch in der Buchhandlung Michaelsbund zum Thema “Lesben in der katholischen Kirche“ teil. Trotz aller Baustellen bleibt die Sozialpädagogin hoffnungsvoll für die Zukunft: „Ich habe ein ganz klares Bild vor Augen, dass Frauen als Priesterinnen irgendwann das Sakrament der Ehe austeilen werden.“ Wie lange das noch dauern wird? „Das weiß ich nicht“, so Kaufmann.