Advent- und Weihnachtszeit

Wie adventliche Rituale auch für den Alltag stärken können

Warten ist meist ein Ärgernis. In der Adventszeit steigert es die Vorfreude. So kommt Licht in die dunkelsten Tages des Jahres.

Rituale können die Wartezeit bis Weihnachten versüßen. © sp4764 - stock.adobe.com

Jeden Tag ein Türchen öffnen, jeden Sonntag eine Kerze anzünden: Der Advent ist voller Rituale, die das Warten aufs Christkind erleichtern sollen. Aber Warten ist nicht gleich Warten: Der Philosoph und Buchautor Timo Reuter unterscheidet verschiedene Arten: „Das häufigste Warten ist ein Organisationsdefekt: Die Bahn wartet nur selten auf uns, aber wir müssen auf die Bahn warten, ebenso beim Arzt. Hinzu kommt im digitalen Zeitalter ein ständiges Warten auf Updates, Downloads, neue Nachrichten. Diese alltägliche Form von Warten unterscheidet sich von existenziellem Warten: auf Spenderorgane, Aufenthaltsgenehmigungen oder das Ende von Gewalt und Rassismus.“

Gerade beim alltäglichen Warten würden Menschen aber zunehmend aggressiv: „Diese Allergie gegen Wartezeiten ist vor allem ein Ausdruck des Zeitgeistes. Das Warten geht oft mit dem Gefühl von Ohnmacht einher: Wer wartet, kann nicht über seine Zeit verfügen – dabei will heute jeder möglichst selbstbestimmt sein. Noch schwerer wiegt, dass Warten als Stillstand empfunden wird. Die Menschen haben immer mehr zu tun, wollen immer mehr erledigen und erleben. Zum Warten bleibt da keine Zeit mehr. Und deshalb gelten die kleinen Zwangspausen als verlorene, nicht als geschenkte Zeit“, so Reuter. Drittens gibt es ein vorfreudiges, manchmal sehnsüchtiges Warten – etwa auf Weihnachten, auf die große Liebe oder die Verwirklichung von Utopien.

Advent lehrt Vorfreude

Der Advent könne so durch das ganz bewusst zelebrierte Hinauszögern die Vorfreude auf Weihnachten steigern: „Natürlich will niemand ewig auf sein Glück warten, aber wenn wir uns daran erinnern, dass wir nicht alles sofort haben müssen, kann der Advent zu einer schönen Zeit der Vorfreude auf das Weihnachtsfest werden“, plädiert Reuter. Ob die Adventszeit vorfreudig-süß ist oder stressig, hat somit jeder selbst in der Hand.

Ein Tipp: an einem Adventssonntag einmal bewusst nichts planen. Auch wenn das zunächst langweilig erscheint: Wer durch die Langeweile hindurch ist, der hat plötzlich eine Idee und dann macht er etwas Kreatives, Schönes. Dazu kommt: Je emotionaler jemand etwas erlebt, desto mehr prägen sich die Ereignisse ein – und desto länger fühlt sich die Zeitspanne in der Erinnerung an. Auch deshalb erscheint Kindern das Warten auf das Christkind wie eine Ewigkeit, viele Erwachsene hingegen haben dieses Staunen verloren. Der Duft von selbstgebackenen Plätzchen, das tägliche Öffnen eines Türchens am Adventskalender oder das Entzünden der Kerzen am Adventkranz – alle damit verbundenen Emotionen und Gefühle begleiten einen ein Leben lang.

Im Advent kommt Licht in die Dunkelheit

Dabei lässt sich gerade Weihnachten kaum denken ohne den Kontrast von dunkler Nacht und dem Leuchten von Kerzen, Lichtern und Sternen. In der Bibel spielt der Wechsel von Dunkelheit und Helligkeit eine besondere Rolle. Gott offenbart sich immer wieder in Dunkel und Chaos. Er kann die Finsternis erleuchten. Jesus wird als Licht in der Nacht begrüßt: Die zunehmende Zahl der leuchtenden Kerzen am Adventskranz verkündet, dass das Licht in die Finsternis kommt, wie es im Johannes-Evangelium heißt. Nicht zufällig wird das Weihnachtsfest in der dunkelsten Zeit des Jahres gefeiert: An dunklen Wintertagen erwartet man sehnsüchtig die heller werdenden Tage.

In der Adventszeit sehnen sich viele Menschen darüber hinaus nach eigener Aussage vor allem nach Ruhe und nach mehr Zeit für ihre Liebsten und zur Vorbereitung auf das Fest. Das kann freilich auch zur Falle werden. Denn wer auf etwas Schönes wartet, ist häufig enttäuscht, wenn er es dann auch tatsächlich erlebt, wissen Psychologen. In vielen Familien kommt es daher an den Feiertagen zu Streit – gerade weil alle sich bemühen und die Erwartungen entsprechend hoch sind.

Nicht von Traditionen stressen lassen

Auch die eigenen Kindheitserinnerungen können einem in die Quere kommen. Viele Menschen haben die Feste ihrer Kindheit in guter Erinnerung. Wenn sie dann selbst Kinder haben, wollen sie denen das Fest genauso schön machen. Doch genau da beginnen oft die Probleme. Entweder prallen verschiedene Traditionen aufeinander oder Bräuche lassen sich nicht eins zu eins in die eigene Familie übernehmen. Wessen Kinder etwa überzeugte Vegetarier sind, der wird mit seinem liebgewonnenen traditionellen Weihnachtsgans-Menü keinen Blumentopf gewinnen. Hier braucht es Gelassenenheit, Gesprächsbereitschaft und die Befreiung vom Zwang, dass an den lang erwartenden Feiertagen alles perfekt verlaufen muss. Die Wirklichkeit ist eben oft anders.

Vielleicht sollte man deswegen auch dem bewussten Warten in der Adventszeit ein wenig mehr Beachtung schenken. Hilfreich könnte hier ein Wort des von den Nationalsozialisten im KZ Flossenbürg ermordeten evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) sein: „Der wartende Mensch erwartet alles von Gott. Er allein kann vom Advent in die Weihnacht gehen. Selig sind die Wartenden.“ (kna/flo)

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