mk online: Pater Kern, während in manchen Kirchen der Beichtstuhl vom Mesner zur Abstellkammer umfunktioniert wird, haben Sie erst vor Kurzem die Beichtstühle in St. Michael modernisieren lassen. Kommen tatsächlich so viele Menschen zu Ihnen, dass sich das rentiert hat?
Pater Karl Kern SJ: Und wie sich das rentiert hat! Wir haben sechs neue moderne Beichtstühle, zwei als reine Sprechzimmer, vier mit der Kombinationsmöglichkeit zum Knien vor dem Beichtgitter oder zum Sitzen mit Blick zum Beichtvater, außerdem noch ein größeres Beichtzimmer außerhalb der Kirchenmauern, doch mit direktem Zugang von der Kirche aus.
Wir bieten von Montag bis Samstag in der Kirche jeden Tag zwei Stunden Beichtgelegenheit (17 – 19 Uhr) mit zwei Patres an; außerdem von Montag bis Mittwoch und am Freitag am Vormittag (9 – 12 Uhr) in den Sprechzimmern des Zentrums St. Michael.
Das ist ein Weniger an Zeit, verglichen mit Vor-Corona. Doch diese Zeiten werden ausgiebig genutzt und geschätzt. Meist sind zwei Patres während der vollen zwei Stunden im Beichtstuhl beschäftigt, manchmal auch über diese Zeit hinaus. Viele Menschen bedanken sich spontan, dass wir gerade jetzt dieses Sakrament anbieten.
Welche Menschen kommen zu Ihnen zur Beichte?
Pater Kern: Sie werden überrascht sein: Es sind vor allem Jüngere zwischen 25 und 45 Jahren.
Und welche Themen kommen hier besonders häufig zur Sprache?
Pater Kern: Es sind die Widrigkeiten des Lebens, die Schwierigkeiten des Alltags, in denen Menschen auf ihre Grenzen und Schwächen stoßen: Wie die Anforderungen des Berufs, die Zusammenarbeit mit schwierigen Kolleginnen und Kollegen bewältigen? Wie der Familie, den Kindern, den Lebenspartnern gerecht werden? Viele sexuelle Nöte kommen zur Sprache. Man kriegt die unheilvolle Wirkung des Internets mit. Dann ist die Beichte immer auch eine gemeinsame Suche nach dem passenden Stil des geistlichen Lebens: Wie bete ich? Wie verbinde ich meinen Glauben mit meinem Alltag? Wo finde ich eine geistliche Heimat?
Schwere Schicksalsschläge, Lebenskrisen, Phasen der geistlichen Trockenheit sind oft der Anlass, nach Jahren oder Jahrzehnten mal wieder zu beichten. Manchmal steht auch eine lebensbedrohliche Operation an oder die Erstkommunion der Kinder oder Enkel, die Menschen in den Beichtstuhl führt. Nicht zu vergessen: Für viele ist die Beichte so etwas wie eine regelmäßige geistliche Begleitung. Vor allem junge Leute nutzen das immer wieder.
Wie lange sollte ein gutes Beichtgespräch dauern?
Pater Kern: Wir begrenzen in der Corona-Zeit ein normales Beichtgespräch auf circa zehn Minuten und lüften danach den Beichtstuhl, indem wir die Türen eine Weile offenstehen lassen. Manche Menschen brauchen mehr Zeit, um ihre Fragen zu besprechen. In diesem Fall verweisen wir auf unsere regelmäßigen Sprechzeiten im Zentrum. Oft machen die Beichtväter einen eigenen Termin in solchen Fällen aus.
Welche Erwartungen haben die Menschen an einen guten Beichtvater?
Pater Kern: Er muss einfühlsam zuhören und sich dem Gegenüber zuwenden können. Verständnis und Wegweisung sind gefragt, wobei ein guter Beichtvater die Selbstheilungskräfte bei seinem Gegenüber herauszulocken versucht. Der Beichtvater muss wie ein guter Arzt hinter den äußeren Symptomen, die im Bekenntnis genannt werden, mit diagnostischem Blick die tieferen Probleme erkennen. Er sollte den Blick von den offenkundigen Tat- zu den tieferen Haltungssünden lenken und Hinweise zur „Buße“, zur „Besserung“ geben. Beichtende sollten einen therapeutisch geschulten und geistlich gereiften Beichtvater erwarten können.