Traunstein – Ein Samstagvormittag auf dem Stadtplatz. Kalt, aber sonnig, Menschen mit Einkaufskörben schlendern zwischen den Marktständen umher. Im Schatten der Kirche, abseits des Trubels, steht die Bronzebüste des emeritierten Papstes, die Augen Richtung Stadttor gewandt. „Mei, unser Papst muss was mitmachen“, sagt ein Mann im Vorbeigehen. „Die Ehrenbürgerschaft sollen sie ihm lassen, der hat doch eh schon so viel um die Ohren.“
Auch ein älterer Passant findet: „Den sollen sie doch in Ruhe lassen.“ Dass sich die öffentliche Stimmung in der „Vaterstadt“ Benedikts XVI. seit der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens verändert hat, spüre er nicht und eilt weiter.
Missbrauchsgutachten ist durchaus Gesprächsthema
Eine Marktbesucherin aus Reichenhall, selbst nach eigenem Bekunden „religiös und katholisch“, findet schlimm, was in der Kirche passiert ist: „Das tut mir so leid für die Betroffenen, aber der Papst dabarmt mir auch.“ Die Rolle Benedikts war bei ihr zu Hause durchaus Gesprächsthema – im Gegensatz zu einem jungen Paar aus Traunstein: „Bei uns wird gar nicht darüber geredet, wir bekommen das höchstens über die Medien mit.“ Die Nachrichten bestätigten die beiden eher in ihrer kritischen Haltung gegenüber der Kirche.
Gemeinsame Kommission befasst sich mit den Vorwürfen im Gutachten
Ein paar Meter weiter hat der Stadtrat einen kleinen Pavillon aufgebaut und bewirbt sein Klimaschutzkonzept, über das am 20. Februar ein Bürgerentscheid stattfinden wird. Oberbürgermeister Christian Hümmer (CSU) ist beschäftigt mit Klima, nicht Kirche. Für ein Interview stehe er nicht zur Verfügung, sagt er und verweist stattdessen auf eine Pressemitteilung.
Traunstein, Surberg und Tittmoning kündigen darin eine gemeinsame Kommission an, die sich aus „historischer, juristischer und theologischer Sicht“ mit dem Gutachten befassen werde. Mit dem Ziel, darin geäußerte Vorwürfe und Verantwortlichkeiten in die örtliche Erinnerungs- und Würdigungskultur einzuordnen. Der emeritierte Papst wird mit keinem Wort genannt – der Titel des Dokuments „Gemeinsame Pressemitteilung Missbrauchsskandal Papst“ ist da schon etwas deutlicher.
Menschen begrüßen Prüfung der Ehrenbürgerschaft
„Die Ehrenbürgerschaft gehört geprüft“, stimmt ein Marktbesucher aus Bergen zu. Davon erfahren habe er aus der Zeitung, „aber wenn man die nicht liest, bekommt man es nicht mit“. Auch eine Besucherin aus Chieming findet die Prüfung nicht verkehrt. Allerdings „könnte man dann die Hälfte der Straßennamen umbenennen.“ Eine andere Passantin wiederum ist empört, „dass man einen einzelnen Menschen dafür jetzt fertig macht. Das finde ich grundsätzlich nicht richtig, auch wenn ich kein Fan von ihm bin.“