Kaukasus-Roman

Olga Grjasnowa: Der verlorene Sohn

Der russische Zar braucht die Territorien der muslimischen Kaukasusvölker, um dem Osmanischen Reich auf den Leib zu Rücken. Der 5-jährige Sohn eines Stammesführers wird seine Geisel, er lässt ihn in Russland ausbilden. Dann kehrt er zurück in die Steinfestungen seiner Heimat.

© Wikipedia CC

Olga Grjasnowa verortet ihre Geschichte über Heimat und religiöse Identität, Unabhängigkeit und Unterwerfung im russischen Kaukasuskrieg um das Jahr 1840. Damals kämpften die muslimischen Völker im Kaukasus gegen die Eroberungsarmee von Zar Nikolaj. Olga Grjasnowa griff sich aus dem historischen Kontext gezielt prominente, fast mythisch umrankte Figuren heraus, um mit ihnen ihre Version der Geschichte zu erzählen in einem Roman mit dem biblisch anmutendenTitel.

Der Herrschersohn Jamalludin soll für die Dauer von Waffenstillstandsverhandlungen an die Russen ausgeliefert werden, von drei Tagen ist die Rede. Aber er wird  zu Zar Nikolai gebracht, eine Entführung im Grunde. Dessen Absicht ist klar. Der Zar will aus dem awarischen Herrschersohn einen Russen formen. Der Junge hat nur die Menschen um sich, die der Zar ihm zur Seite stellt für seine Ausbildung. Es gibt keinen Kontakt in die Heimat, auch die Nachrichten von dort werden von ihm ferngehalten.Nach 15 Jahren kehrt der vielversprechende junge Offizier in den Kaukasus zurück.

Trotz des ersten, politischen Kerns dieser Geschichte schafft die Autorin es, mit ihren Schilderungen zu bezaubern. Scheinbar mühelos entwirft sie ein Gesellschaftspanorama, das keineswegs schwarzweiß zeichnet, manchmal allerdings ein bisschen arg zuckerig scheint, mit all den Bällen und Salons. Die innere Verlorenheit Jamalludins stellt es umso stärker heraus. Ohne großen sprachlichen Aufwand gelingen Grjasnowa eindringliche Szenen von großer Tiefe, wie etwa die Rückkehr Jamalludins nach Dagestan, als er seine russische Offiziersuniform ablegt und die heimatliche schlichte Kutte überzieht. Der verlorene Sohn

 


Buchtipp

Olga Grjasnowa: Der verlorene Sohn

Aufbau Verlag, 383 S.

22 € inkl. MwSt.

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