München – Kinder und Jugendliche leiden schwer unter den Folgen der Corona-Pandemie. Vor kurzem wurde eine Studie mit erschreckenden Zahlen veröffentlicht: Danach soll die Zahl der Jugendlichen, die nach einem Suizidversuch auf den Intensivstationen lagen, im zweiten Lockdown um 400 Prozent gestiegen sein. Die Zahlen zwar sind wissenschaftlich nicht ganz korrekt erhoben worden, aber die Beobachtung, dass suizidale Gedanken bei Kindern und Jugendlichen zunehmen, bestätigt auch Petra Reuter-Niebauer von der Psychologischen Beratungsstelle Lehel: „Wir sehen es an unseren Fallzahlen vom letzten Jahr, die wir gerade erhoben haben. Wir haben viel mehr Jugendliche in den Beratungen als in den Vorjahren“.
Fehlende Entwicklung
In der Sendung „Total Sozial“ erklärt sie, warum die psychischen Folgen für Jugendliche so viel schlimmer sind als für Erwachsene: Kinder und Jugendliche müssten in einem bestimmten Alter bestimmte Entwicklungsschritte durchmachen. Sie müssen sich von den Eltern lösen, müssen sich in der Gruppe der Gleichaltrigen beweisen und müssen erste Erfahrungen mit der Sexualität machen. Eine abgesagte Party sei deshalb kein verpasstes Event, sondern ein fehlender Entwicklungsschritt. Dieser Frust führt natürlich nicht unmittelbar zu Suizidgedanken. Doch die Corona-Krise dauert nun schon annähernd zwei Jahre, in denen das Virus immer wieder über das Leben der Jugendlichen bestimmt. Das kann zu Depressionen führen und sie erklärt, wie die zustande kommen: „Ein wesentlicher Punkt ist das Gefühl: Ich kann nichts dazu beitragen, dass meine Situation besser wird.“
Eltern erkennen Verzweiflung
Eltern rät sie, sich Hilfe zu holen, wenn ein Kind den Gedanken äußert, dass es keinen Sinn mehr sieht, zum Beispiel bei den Psychologischen Beratungsstellen. Die Mitarbeiter dort rufen auf jeden Fall schnell zurück, klären, ob die Lage so akut ist, dass man direkt in die Kinder- und Jugendpsychiatrie fahren sollte oder sie machen einen Termin aus – in der Regel innerhalb der nächsten zwei Wochen, in Notfällen auch innerhalb von 48 Stunden.
Petra Reuter-Niebauer hat aber auch festgestellt: Eltern merken, wenn es ihren Kindern nicht gut geht. Sie erkennen den Unterschied zwischen normalem Teenagerverhalten und Verzweiflung. Wichtig sei es, den Kummer seines Kindes ernst zu nehmen und nicht mit einem „das wird schon wieder“ wegzuwischen. Denn: das, was die Kinder gerade durchmachen, haben die meisten Erwachsenen nicht durchgemacht. Diese hatten eine Jugend.