Rosenheim – Gibt es dich, Gott? – Getrieben von dieser Frage fährt Hans Maier mit seinem Fahrrad los. Er ist schon auf dem Heimweg über eine dunkle Landstraße, als er an einem Wegkreuz vorbeikommt. Irgendetwas daran fesselt ihn, er hält an und steigt vom Rad ab. Dreißig Minuten dürften es sein, dass er einfach nur dasteht. Schweigend, schauend, staunend. Eine halbe Stunde, in der sich sein Blick im sternenbedeckten Nachthimmel und dem Vollmond verliert. „Ich war zutiefst innerlich ergriffen“, erzählt der Rosenheimer Pastoralreferent im Nachhinein. „Und dann wusste ich: Ja, es gibt dich, Gott.“
Gott als Schöpfer erleben
Diese nächtliche Erfahrung ist lange her, aber ähnliche Momente hat Maier immer wieder – vor allem in der Natur. Denn er ist überzeugt: „Man wird berührt. Von der Schönheit und den wunderbaren Dingen, die man dort erleben und sehen kann.“ Sei es bei einem Sonnenaufgang, bei einer Kajaktour auf dem Wasser oder wenn das Licht Herbstblätter golden leuchten lässt.
Wer mit einer Offenheit in die Natur gehe, könne erahnen, „dass dahinter eine größere Wirklichkeit steckt“. Eine tiefergehende Erfahrung könne machen, wer Berge, Wind und Wetter erlebe – und das mit der eigenen Vorstellung von Gott als Schöpfer verbinde. „Dann kann ich zugleich dem Größeren begegnen.“ Das, so vermutet Maier, ist in der Natur für viele Menschen heutzutage leichter.
Bergexerzitien: Gehen fördert meditative Stimmung
Er selbst findet dieses Größere – also Gott – vor allem in den Bergen. Daher leitet Maier auch seit vielen Jahren Bergexerzitien und ist für diese seit 2015 in der Abteilung Spiritualität der Erzdiözese München und Freising zuständig. Auf fünf Tage ist jede Tour angesetzt. Für Maier das Minimum an notwendiger Zeit, „damit das abfallen kann, was einem vom Alltag bewegt oder vielleicht auch stresst. Dass ich in innere Gelassenheit hineinfinden und auch wirklich aus dem Hamsterrad aussteigen kann.“
Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei das Gehen – für einen selbst und für die Gruppe. Die rhythmische Bewegung helfe jedem, Gedanken und Gefühle zu sortieren. „Es ist ein wesentlicher Punkt, um meditative, kontemplative Stimmung zu erhalten“, erklärt der erfahrene Exerzitienleiter. Manchmal spürt er dann selbst eine meditative Leere: „Alles, was an Natur um mich herum ist, verschwindet im Hintergrund. Ich bin in mir unterwegs.“
Die Exerzitien leitet Maier immer im Team. So kann einer voraus und der andere am Ende der Gruppe gehen. „Wie in eine Hängematte eingebettet“ seien die Teilnehmenden dadurch, sie können sich fallenlassen und für sich selbst sorgen. Und Angst, sich zu verlaufen, müsse auch niemand haben.
Spazieren: Spiritualität im Alltag erleben
Diese Begleitung ist ein wichtiger Bestandteil der Bergexerzitien – Gott in der Natur erfahren kann aber auch, wer alleine im Alltag unterwegs ist. Maier empfiehlt, auf ganz normalen Spazierwegen zu gehen und den vielen Gesprächsmöglichkeiten auszuweichen. „Das gelingt natürlich nicht immer. Oft ist man mit vollen Gedanken unterwegs“, weiß Maier.
Aber wenn man immer wieder rausgehe, falle manchmal alles ab „und man kommt ganz zu sich. Dinge, die im Alltag keinen Platz haben, können hochkommen.“ Nicht mit den Außenantennen ist man dann draußen in der Natur unterwegs, „sondern mit den Innenantennen“. (Hannah Wastlhuber)
