Ökumenisches Jugendlager 1972

Erinnerungen an Olympia in München

Günter Staudter hat während der Olympischen Spiele in der bayerischen Landeshauptstadt das Jugendlager geleitet. Dieses habe Jugendliche aus verschiedenen Nationen miteinander verbunden. Die Arbeit rund um die Spiele zählt für den früheren Sozialpädagogen zu den Höhepunkten in seinem Leben.

Nach dem Attentat vom 5. September 1972 wehte die Olympiafahne auf Halbmast. © imago images/Horstmüller

München – Im Sommer 1972 trägt Günter Staudter zwei prall gefüllte Koffer zu Fuß durch die Münchner Innenstadt in sein Büro. Mit einigem Unbehagen: „Denn da waren Eintrittskarten für die Olympischen Wettbewerbe im Wert von 230.000 Mark drin.“ Der eigens für die Spiele eingerichtete kirchliche Dienst hatte sie erworben und Staudter sollte sie weiterverteilen. Der heute 80-Jährige war damals ein junger Sozialpädagoge und Leiter des Ökumenischen Jugendlagers. Frisch verheiratet war er auch, „aber die Hochzeitsreise ist ausgefallen, weil so viel zu tun war“. 

Insgesamt kamen zu den Olympischen Spielen vom 26. August bis 11. September 1972 rund 50.000 Jugendliche aus aller Welt nach München. Für 2.261 davon war Staudter verantwortlich. Ungeplant kamen noch einmal 400 Pfadfinder dazu, für die er an seinem Wohnort Unterhaching gerade noch Unterkünfte in den Schulen der Gemeinde fand. Mit hauptamtlichen Mitarbeitern aus der Erzdiözese München und Freising und der Evangelischen Landeskirche in Bayern koordinierte Staudter die Logistik für Gottesdienste, Konzerte, Tanz- und Discoabende, Stadtführungen und offene Treffs.

300 ehrenamtliche Helfer 

Er machte Werbung für das Programm der kirchlichen Dienste, kümmerte sich um die Frühstücksverpflegung genauso wie um die Aufstellung nagelneuer Farbfernseher, die von der Industrie gespendet worden waren, oder eben die Verteilung und Abrechnung der Eintrittskarten: „Jeder Jugendliche hat acht Stück erhalten, für die 50 Mark zu zahlen waren“ – an den offenen Treffs, etwa in der Pfarrei „Zu den heiligen Zwölf Aposteln“ im Münchner Stadtteil Laim, den Karten-Tauschbörsen. Denn die jeweils acht Tickets für jeden Jugendlichen waren nach dem Zufallsprinzip zusammengemischt worden. Genauso war Staudter für die 300 ehrenamtlichen Helfer der kirchlichen Dienste zuständig, die er schon Monate zuvor unter 800 Bewerbern ausgewählt hatte, und sorgte für deren Ausbildung. 

Organisationserfahrung und Improvisationstalent hatte der junge Sozialarbeiter als langjähriger Leiter der Pfadfinder und vieler Zeltlager seiner Heimatpfarrei St. Rupert im Münchner Westend gesammelt. Darum kam er mit seiner großen Aufgabe auch gut zurecht. An dem von ihm mitgestemmten Programm teilnehmen oder gar bei Wettkämpfen zuschauen konnte er wegen der Arbeitslast allerdings nicht. Nur bei der Eröffnungsfeier war er dabei. Noch heute erinnert er sich, wie bayerische Trachtler von mexikanischen Tänzern in traditionellen bunten Gewändern die Olympiafahne entgegennahmen, denn das mittelamerikanische Land hatte die vorausgegangenen Spiele 1968 ausgetragen: „Das war alles so ungezwungen und lustig, da waren die angekündigten heiteren Spiele von München wirklich zu spüren.“

Völkerverbindendes Fest 

Auch die Stimmung im Ökumenischen Jugendlager war fröhlich: „So haben etwa viele polnische Gäste genau gemerkt und anerkannt, dass sich die Deutschen von der NS-Olympiade 1936 abgrenzen und wirklich ein völkerverbindendes Fest wollten.“ Wenn die Jugendlichen eine Medaille für ihre Nation bejubelten, „dann fielen ihnen die anderen um den Hals, selbst wenn sie zu den Verliererländern gehörten“. Von einem Tag zum anderen änderte sich jedoch die Stimmung. Als am 5. September ein palästinensisches Terrorkommando die israelischen Sportler überfiel, „haben sich viele nur noch flüsternd unterhalten“. Pfadfinder aus arabischen Ländern erzählten dem Leiter des Ökumenischen Jugendlagers, dass sie sich mit ihren beduinischen Kopfbedeckungen nicht mehr in die Öffentlichkeit wagten. „Die sind in der Innenstadt von Passanten angepöbelt und teilweise sogar angegriffen worden.“

Ein paar Tage zuvor hatten sich noch alle über diese Gäste und ihre traditionelle Kopfbedeckung gefreut. „Einige Jugendliche wollten sofort abreisen“, erinnert sich Staudter, „und haben den Kopf geschüttelt, als der IOC-Präsident die Fortsetzung der Spiele verkündet hat.“ Zum Ende der Olympiade sei „schon ein bisschen was von der Anfangsstimmung zurückgekehrt, aber es lag doch ein Schatten darüber“. Der Leiter des Ökumenischen Jugendlagers konnte sich immerhin darüber freuen, „dass fast alle Jugendlichen Adressen mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern ausgetauscht haben“. Es gab Pfadfinderstämme aus Deutschland, die Partnerschaften mit Pfadfindern aus Übersee schlossen. „Also das völkerverbindende Ziel haben wir bestimmt erreicht.“ Diese gute Erinnerung an die Olympischen Spiele ist ihm geblieben, „die ein Höhepunkt in meinem Leben waren“.

Plakate gegen Spende zu haben 

Geblieben sind ihm auch etwa drei Dutzend seltene Plakate vom Ökumenischen Jugendlager der Olympiade 1972. Eigentlich sollten sie damals in den Schulen aufgehängt werden: „Aber etliche Hausmeister haben das Anbringen energisch verboten.“ Staudter hat die Plakate nicht weggeworfen, sondern aufgehoben. Zum 50-jährigen Jubiläum der Spiele hat er sie wieder vom Speicher geholt. Einige hat er an verschiedene Archive weitergegeben. „26.000 Exemplare haben wir damals drucken lassen, von denen aber kaum eines erhalten geblieben ist.“ Einige hat er noch zuhause und gibt sie gern gegen eine Spende an Institutionen, Verbände oder auch Pfarreien ab, die ein Plakat für ihr Archiv oder einfach eine Erinnerung an die Olympischen Spiele von 1972 haben möchten.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

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