Glaubensinhalt

Die Bedeutung der Sünde nach katholischem Verständnis

Die grenzenlose Herausforderung der Freiheit oder der umzäunte Garten des Paradieses? Sind Sünde und Beichte noch zeitgemäß? Was ist eine kleine oder eine große Sünde?

Die Erbsünde geht auf Adam und Eva zurück. © ruskpp - stock.adobe.com

Wir sind alle kleine Sünderlein …“ titelte 1964 Willy Millowitsch in wunderbarem Kölschen Dialekt und sang dabei sicher so manchem Menschen aus dem Herzen. Schließlich ist es ein bestechendes Zeichen der heutigen Zeit, die negativen Seiten zu verharmlosen und runterzuspielen. Das „Sünderlein“, wer kann davor schon Angst haben oder besorgt sein?

Und so steht hier die Sicht auf die Sünde im Gegensatz zu den Bildern, die einem gemeinhin in Bezug auf Kirche und Sünde in den Sinn kommen: Hölle, Fegefeuer, Sündenstrafen, Verdammnis und der Teufel. Was hat es mit der Sünde auf sich, dass sie uns auf der einen Seite so wichtig erscheint, dass wir aber auf der anderen Seite nichts davon hören wollen?

Wie mit Adam und Eva alles begann

Alles begann wohl allegorisch im Paradies, als Adam und Eva ihre Selbstständigkeit entdeckten und Gottes Gebot übertraten (vgl. Gen 3). Dabei bedeutet das Wort „Paradies“ zunächst „umzäunter Garten“ und hat daher in der Wortbedeutung wenig mit der grenzenlosen Freiheit zu tun. Diese schienen Adam und Eva mit der ersten Sünde (oder auch „Ursünde“) und der Erkenntnis von Gut und Böse zu erlangen.

Gleichzeitig offenbarte sich damit die Tatsache, dass diese scheinbar neu erlangte Freiheit zur größten Gefahr des Menschen wurde. Die Grenzenlosigkeit wurde zur Herausforderung und das Paradies, der umzäunte Garten, zum Sinnbild dessen, was der Mensch erstrebt. Das Handeln dieser biblischen Ureltern brachte uns Menschen ein schweres Erbe ein (Erbsünde), von dem wir nur durch die Gnade Gottes (durch Menschwerdung, Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi) und die Teilhabe daran (Taufe) geheilt werden können. Die Taufe schenkt uns Freiheit.

Sünde führt nicht zur Freiheit

So versteht man die Sünde primär als Abkehr des Menschen von Gottes Willen. Der Mensch trennt sich von Gott. Dafür braucht es zunächst eine entsprechende Geisteshaltung. Daher wäre es gefährlich zu denken, dass nur das konkrete Handeln Sünde sei, nicht schon das Nachdenken darüber. Auch Jesus weist darauf hin, dass die Sündentat im Herzen beginnt (vgl. Mt 5,28). Er bringt uns hier eine Warnung, damit wir nicht „leichtsinnig“ werden und uns der Gefahr aussetzen.

Die erste Folge der Sünde ist die Schuld, die der Mensch auf sich legt, der sich von Gottes Willen abgekehrt hat. Die Schuld führt zur Last, die man zu tragen hat, was auch zu Störungen im Leben mit anderen führen kann. Sünde hat oft eine Gemeinschaftskomponente. Plötzlich tut ein Mensch sich schwerer im Umgang mit anderen, wird gereizt und unleidlich. Die Last wird schwerer, der Druck steigt.

Buße verlangt Neuausrichtung des Menschen

Im Idealfall führt das zu Schuldbewusstsein und zum Wunsch nach Bekehrung, zum Akt der Bekehrung und Buße selbst und damit zur Neuausrichtung des Menschen. Daher spricht man bei der Beichte auch korrekter vom „Sakrament der Versöhnung“ (mit sich, den Mitmenschen und mit Gott).

Man sieht also, die Sünde konterkariert das Bild der Genesis. Sünde führt nicht zur Freiheit, sondern engt immer mehr ein, belastet. Die Sünde verletzt das Wesen der Freiheit. Um dem zu entkommen und die innere Freiheit wieder zu finden, bedarf es der Umkehr und Sinnesänderung und mithin einer Neuausrichtung des Lebens. Ich muss sinnbildlich erkennen, dass der umzäunte Garten voll der Liebe Gottes mir mehr Freiheit lässt als eine Grenzenlosigkeit voller Zweifel. Das ist kein leichter Schritt, schon weil er der allgemeinen Wahrnehmung der Welt widerspricht.

Schwere und leichte Sünden

Es gibt Sünden, die aus Schwachheit, Unachtsamkeit oder Unwissen geschehen, aber auch solche, die aus böser Absicht resultieren. Schon das Alte Testament unterscheidet daher zwischen schweren und leichten Sünden, die kirchliche Lehre zwischen „lässlichen“ und „Todsünden“.

Papst Johannes Paul II. hält dazu in seinem apostolischen Schreiben „Reconciliatio et paenitentia“ von 1984 fest: „[Die Lehre der Kirche nennt] denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewusst und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen und endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht.“

Hier wird also eine Abkehr von der Gemeinschaft mit Gott zum Ausdruck gebracht, die zur persönlichen Schuld wird. Nach klassischer Lehre entstehen diese Sünden aus sieben schlechten Charaktereigenschaften: Hochmut (superbia), Geiz im Sinne von Habsucht (avaritia), Genusssucht (luxuria), Zorn (ira), Unmäßigkeit und Selbstsucht (gula), Neid und Eifersucht (invidia), Faulheit und Feigheit (acedia).

Der Mensch wendet sich von Gott ab

Wer aus diesen Beweggründen heraus handelt und sündigt, trennt sich von Gott und seiner Liebe. Der Sünder wird tot für die Gnade Gottes, aus eigenen Beweggründen und aus eigenem Willen. Das ist wichtig: Es ist nicht Gott, der sich hier vom Menschen abwendet. Der Mensch wendet sich ab, dreht sich weg von Gott, will ihn nicht mehr sehen, mit ihm nichts mehr zu tun haben und kann so auch für den Moment nicht mehr an die Gnade und Vergebung glauben.

Die Lehre Jesu im Neuen Testament stellt der ablehnenden Haltung des sündigen Menschen die liebende Haltung des barmherzigen Vaters entgegen, mit offenen Armen und erwartungsfroh (vgl. Lk 15). Wir glauben an einen Gott, der mit Liebe auf uns wartet und uns mit Vergebung „straft“. Was für eine Zusage!

Das Gewissen ist Funke der Liebe Gottes

Daneben stellen die sogenannten „lässlichen Sünden“ nur eine Krankheit in der Beziehung zu Gott dar, die vergleichsweise leicht geheilt werden kann. Gewissenserforschung und Beichte heißen die Therapien. Wie gut, dass es das Gewissen gibt, das uns bewegt und zwingt und uns den richtigen Weg weist. Da hat Gott einen Funken seiner Liebe in uns hinterlassen. Selig, wer sein Gewissen noch nicht abgestumpft hat.

Und Beichte? Braucht es die heute noch? Schließlich fällt es jedem schwer, seine Fehler einem anderen gegenüber einzugestehen. Ein Spaziergang im Wald ist da viel einfacher. Wenn ich meine eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten erkennen muss, tut das bisweilen weh. Beichten ist nie leicht. Auch für mich nicht. Auch ich muss mich „überwinden“, also hinter den Mauern meines Egos hervorklettern. Aber wie gut tut das, wenn man es geschafft hat und ein anderer dir zuspricht im Namen Gottes: „Es ist dir vergeben.“ Die Zusage des barmherzigen Vaters, die mich heilt, seine Arme, die mich umschließen. Ob mir dieses Gefühl auch alleine beim Spazierengehen gelingt?

Sündenverständnis der Kirche

Viele Menschen haben das Sündenverständnis der Kirche als veraltet und überkommen bezeichnet und der Kirche auch immer wieder unterstellt, die Menschen damit unterdrücken zu wollen. Aber entspricht es nicht der Lebenserfahrung der Menschen, was da passiert?

Ein Kind, das aus Trotz oder Wut oder Übermut eine Vase umschmeißt und dann die Scherben versteckt, hat ein schlechtes Gewissen. Die Mutter weiß im Grunde genau, was passiert ist. Sie fragt das Kind, das die Tat natürlich leugnet. Sie fragt erneut und das Kind leugnet es noch heftiger, wird zornig und weint, weil man ihm nicht glaubt und es beschuldigt. Die Mutter lässt die Sache auf sich beruhen.

Aber in dem Kind arbeitet es, das Gewissen. Der Druck steigt. Und ein paar Stunden oder Tage später gesteht es unter Tränen die Tat, entschuldigt sich für die Lüge, vollkommen fertig. Die Mutter redet ihm gut zu, erklärt, was das bedeutet, spricht vielleicht sogar eine kleine Strafe aus, wegen der Lüge. Aber im Grunde empfinden beide Erleichterung, die Mutter, weil die Lüge nicht mehr zwischen den beiden steht, das Kind, weil es von der Last der Tat und der Schuld befreit ist.

Gott will die Entwicklung des Menschen

Wer hat so etwas nie erlebt? Wer hat nicht selbst schon die Erleichterung gespürt? Wem ist es nicht schwer gefallen, etwas zuzugeben, und wer war nicht einfach nur froh, nachdem die „Beichte“ erledigt war? Wer war nicht dankbar für die Liebe der Eltern, die viel größer war als alle Strafe?

Brauchen wir in einer Welt der Intoleranz nicht wieder eine Kultur, Fehler einzugestehen und Fehler zu vergeben? Gibt es nicht heute viel zu viele Menschen, die so grenzenlos von sich und ihrer Perfektion überzeugt sind, dass sie im Zusammenleben mit anderen unerträglich werden? Das Verständnis der Kirche zu Sünden, Gewissen, Buße und Vergebung ist etwas zutiefst Menschliches und Lebendiges. Es zieht sich durch die Jahrhunderte und nimmt den Menschen ernst in seiner unperfekten Art, in seinem Geschöpf-Sein. Gott will die Entwicklung des Menschen. Doch wer schon perfekt ist, der macht ja keine Fehler mehr, braucht sich nicht mehr entwickeln, ist quasi schon heilig.

Wir mögen vielleicht alle „kleine Sünderlein“ sein, haben aber auch die Wahl, ob wir mit ausgestreckten Armen in die Leere der Zweifel ziehen wollen – in diese trügerische Freiheit – oder ob wir uns umwenden, um in die ausgestreckten Arme des liebenden Vaters zu laufen, wo der umzäunte Garten der Liebe auf uns wartet. (Tobias Hartmann, Präses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in der Region München und Stadtjugendpfarrer von München)

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