Skifahren in den Bergen und eine Stunde später am Strand einen Cocktail schlürfen – in den 1950er und 1960er Jahren war das so üblich in Beirut. Der Libanon galt damals als mondänes Reiseziel. Es gibt Weinberge, Zedernwälder und Meer. Doch seit den 1970er Jahren wird das wunderschöne Land von einer Katastrophe nach der anderen erschüttert. Es gibt Bürgerkriege und grenzüberschreitende Konflikte. Seit zehn Jahren fliehen Syrer ins Nachbarland und machen inzwischen ein Fünftel der Bevölkerung aus. Es gibt Korruption und Misswirtschaft, der Staat ist zahlungsunfähig und die Inflation liegt bei über 150 Prozent.
Explosion im Hafen von Beirut
Vor zwei Jahren kam dazu noch die große Explosion im Hafen von Beirut. Damals waren wohl in einem Schiff 300 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, das man vor allem zur Düngerherstellung braucht. Der Hafen wurde zerstört und auch in den angrenzenden Vierteln sind noch Scheiben und Fassaden zu Bruch gegangen. Missio-Redakteurin Kristina Balbach hat den Libanon in diesem Frühjahr besucht. „Am Anfang hatten viele Menschen noch die Hoffnung, dass Schuldige gefunden werden, dass Verantwortliche benannt werden, aber diese Hoffnung hat sich überhaupt nicht erfüllt. Eine politische Partei schiebt es auf die andere. Es wird ausgesessen und aus den Demonstrationen und der großen Wut der Menschen in Beirut ist eigentlich Hoffnungslosigkeit geworden. Und Frustration. Denn es ist nichts passiert. Inzwischen ist der Staat zahlungsunfähig. Das heißt, es ist auch kein Geld mehr da, irgendwas zu renovieren.“ Pünktlich zum 2. Jahrestag sind vor ein paar Tagen die Ruinen von zwei Getreidesilos nach einem Brand eingestürzt.
Getreideknappheit
Getreide ist ein weiteres Thema, mit dem sich die Redakteurin auf ihrer Reise beschäftigt hat. Denn kurz bevor sie Ende April losgereist war, kursierte die Meldung, dass die libanesischen Bäcker das Brotbacken einstellen werden. 80 Prozent des Getreides wurden bisher immer importiert und der Großteil kam aus Russland und der Ukraine. Diese Lieferungen gibt es derzeit nicht. Doch selbst wenn sie angekommen wären, wäre kein Geld mehr dagewesen, um sie zu bezahlen, erklärt die missio-Redakteurin: „Die Weltbank hat der Regierung, die zahlungsunfähig ist, einen Kredit zugesagt, aber es war in der Regierung keiner mehr da, der da hätte irgendeine Entscheidung treffen können.“ Das erste Schiff, das mit Getreide an Bord den Hafen von Odessa in der Ukraine verlässt, soll jetzt den nach Beirut fahren.
Franziskaner helfen Rentnern
In Beirut hat Balbach auch Franziskaner-Patres getroffen, die langjährige Projektpartner von missio sind. Die bringen zum Beispiel Rentnern Lebensmittelpakete – denn wenn der Staat zahlungsunfähig ist, kann er auch keine Renten mehr auszahlen. Außerdem erzählt die Redakteurin im Podcast von den Flüchtlingscamps entlang der syrischen Grenze und von einem Erzbischof, der in der Bekaa-Ebene Wein und allerlei Gemüse anbaut.
Wunderschönes Land
Und sie berichtet von der Schönheit des Landes. Von der Tempelanlage in Baalbek, die früher in jedem Reiseführer genannt wurde, von der Passstraße nach Tripoli, die an 3.000 Meter hohen, schneebedeckten Bergen vorbei führt und durch duftende Zedernwälder bis sie wieder ans Meer führt. Ein Land, wie gemacht für einen wunderschönen Urlaub – aber eben nicht unter den derzeit herrschenden Bedingungen.