Ein halbes Jahr Bundesteilhabegesetz

Das vernichtende Urteil der Betroffenen: Augenrollen

Seit einem guten halben Jahr gilt die dritte Stufe des vierstufigen Gesetzes, das helfen sollte, die UN-Behindertenkonvention umzusetzen. Der vielversprechende Titel entpuppt sich für viele Betroffene als Bürokratiemonster.

Gerdrud Hanslmeier-Prockl, David Grozelka und Karin Rink (v.l.) haben auf sehr unterschiedliche Weise mit den Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes zu kämpfen © SMB/Strauß-Richters

Steinhöring – Gertrud Hanslmeier-Prockl leitet den Einrichtungsverbund Steinhöring. Dort wohnen und arbeiten Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung. Es gibt Frühförderstellen, Kindergärten, Schulen, Heilpädagogische Tagesstätten, Förderstätten, Werkstätte, Wohnheime sowie Seniorentagesstätten – ein Angebot für jedes Alter. Sie erläutert die Problematik: „Zum einen soll die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung gestärkt werden. Gleichzeitig soll nicht mehr Geld ausgegeben werden.“ Mehr Leistungen für die Menschen mit Behinderung kann sie aber nur anbieten, wenn es dafür auch mehr Geld gibt.

Um den Bedarf individueller feststellen zu können, sieht das Gesetz vor, dass alle Kosten - wie zum Beispiel Miete, Pflegeleistung, Essensgeld und Taschengeld – jetzt getrennt abgerechnet und von unterschiedlichen Kostenträgern bezahlt werden. Allerdings müssen sich die gesetzlichen Betreuer – häufig die Eltern der Menschen mit Behinderung – jetzt selbst die Anträge stellen.

Eltern überfordert

Karin Rink ist Vorsitzende des Betreuerbeirats. Ihre 34-jährige Tochter Julia ist schon seit frühester Kindheit in Steinhöring. Sie stellt fest, dass viele Eltern überfordert sind. Als Juristin kommt sie mit dem Behördendeutsch einigermaßen zurecht. Aber die Anzahl der Anträge ist gestiegen und die Bescheide haben jetzt unterschiedliche Laufzeiten. „Es musste geklärt werden hat unser Kind Anspruch auf Mittagessensgeld, hat es Anspruch auf Wohngeld, das wiederum beim Landratsamt hätte beantragt werden müssen. Man ist also gut beschäftigt, muss die Übersicht behalten, die Daten der Bescheide im Auge behalten, wann sie neu beantragt werden müssen. Ich habe einen dicken Ordner zu Hause wo das alles eingemerkt ist, damit ich das auch rechtzeitig mache und nichts verpasse.“

40% mehr Arbeit für die Verwaltung

Der Einrichtungsverbund unterstützt die Eltern und anderen gesetzlichen Betreuer weiterhin gerne. Aber auch Verwaltungsleiter Rudolf Baumann ist an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gekommen. Auf rund 40% schätzt er den Mehraufwand in der Verwaltung. „Und dann kam auch noch Corona dazu und wir konnten uns nicht mit den Eltern zusammensetzen und Anträge ausfüllen. Wir haben das dann am Telefon versucht, aber wenn man nicht die gleichen Papiere vor sich liegen hat, kann man auch nicht sagen: sie müssen das Kreuzchen rechts oben machen.“

Teilhabe scheitert an anderen Problemen

Der Sprecher der Bewohner, David Grozelka, hat ganz andere Probleme: Für ihn würde Teilhabe zum Beispiel bedeuten, dass er selbständig mit dem Zug fahren kann. Der Bahnhof in Steinhöring ist auch schon barrierefrei. Allerdings kommt er mit seinem Rollstuhl nicht in den Zug, der dort fährt. Denn der hat Stufen. Ein anderer Traum wäre, in einer kleinen WG zu wohnen, statt in der Wohngruppe. Aber das wäre teurer. Und das darf es nicht sein. Und so ist ein gut gemeintes Gesetz in der Umsetzung noch deutlich verbesserungsfähig.

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Ob Wohnungslosigkeit, Integration oder Leben im Alter: Die sozialen Verbände im Erzbistum setzen die Botschaft des Evangeliums in aktive Hilfe um. Sie helfen mit die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Wir sprechen mit ihnen darüber.

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