Meinung
Fall Defregger

Das schlechte Gewissen vom Leib halten

Wie der Sankt Michaelsbund unkritisch gegen einen Kriegsverbrecher blieb, der anschließend eine steile kirchliche Karriere einschlagen konnte.

Der frühere Münchner Weihbischof Matthias Defregger verstarb 1995 © KNA

Angesichts ermordeter Zivilisten in der Ukraine wirken auch lange zurückliegende Kriegsverbrechen wieder bedrückend aktuell. Dazu zählt die Hinrichtung von 17 Männern am 7. Juni 1944 in dem Abruzzendorf Filetto di Camarda, sie war ein Vergeltungsakt nach einem Partisanenüberfall auf deutsche Soldaten. Gemäß einer perversen und bis heute nicht überwundenen Rachelogik mussten dafür Unschuldige büßen. Der damalige Offizier und spätere Weihbischof Matthias Defregger übernahm die Ausführung dieses Befehls, die seine Vorgesetzten mit einer Beförderung zum Major belohnten.

Sühneleistung mit D-Mark

Als das 1969 vor die Gerichte kam und eine internationale Medienaufmerksamkeit einsetzte, schaltete sich auch die Münchner Kirchenzeitung in die Debatte ein. Für heutige Mitarbeiter des Blatts und des Sankt Michaelsbundes lesen sich diese Beiträge beklemmend. Es ist darin zu spüren, wie die Autoren den Weihbischof und auch Teile der Leserschaft darin bestärken wollten, sich das schlechte Gewissen und die Scham über das eigene Verhalten im Krieg so weit wie möglich vom Leib zu halten. Schließlich hätte man doch nur Befehle auszuführen gehabt. Für solche Fälle gab es dann die zäh erarbeitete, harte D-Mark im Wirtschaftswunderland, und die war in diesem Fall die Währung für moralische Sühneleistungen. Eine solche materielle Anerkennung jedenfalls wollte die Erzdiözese 25 Jahre nach dem Verbrechen für die Hinterbliebenen der Opfer leisten. Das ist nicht verwerflich, sogar anerkennenswert.

Keine Reue

Aber hätte gerade bei einem katholischen Würdenträger wie Matthias Defregger nicht in erster Linie Reue, das offene Bekenntnis eigenen Versagens und eigener Sündhaftigkeit und eine Bitte um Vergebung dazugehört? Erwarten das Priester nur von ihren Gläubigen, oder gilt das nicht ebenso für sie selbst? Hätte nicht genau das eine Kirchenzeitung damals fragen müssen, selbst auf die Gefahr hin, Ärger mit dem Ordinariat und mit womöglich empörten Abonnenten zu riskieren? Sie ließ sich vielmehr in einen unseligen Dienst nehmen und übernahm die Haltung des Weihbischofs und seiner Erzdiözese, dass kritische Medienberichte hier vor allem der Kirche und ihrer Hierarchie schaden und einen verdienten Würdenträger in Misskredit bringen wollten. Die Frage nach persönlicher Verantwortung kam bestenfalls am Rand vor.

Das erinnert die Mitarbeitenden des Michaelsbundes und heutige Leser der Kirchenzeitung fatal an die unselige Strategie, mit der die Mächtigen der katholischen Kirche sich Jahrzehnte um ihren Missbrauchsskandal herumgedrückt haben. Die Münchner Kirchenzeitung hat nicht aus eigener Initiative Partei für Weihbischof Defregger in dieser Sache ergriffen, sondern sich von der Bistumsleitung inoffiziell in diese Angelegenheit mit einer Beauftragung einbinden lassen. Der damalige, unbestritten verdiente Direktor des Sankt Michaelsbundes, Monsignore Hans Schachtner, sprach fließend Italienisch und war nicht zuletzt deshalb ein geeigneter Mittelsmann, um Geldspenden zu sammeln und diese anschließend zu überbringen. Hinter diesem Auftrag aber stand Erzbischof Kardinal Julius Döpfner persönlich.

Verstörende Berichte

Auch darüber berichtete die Münchner Kirchenzeitung ausführlich und begleitete Monsignore Schachtner im September 1969 während einer Pilgerreise der Kirchenzeitungs-Leser zu einem Abstecher nach Filetto di Camarda. Es ist verstörend, mit welcher Hingabe dabei die eigene Wohltätigkeit beschrieben wird, verbunden mit Polemik gegen Kommunisten und kaum verhehltem Unverständnis, dass Einheimische an einem Film über das Massaker als Statisten mitwirkten und dafür sogar Honorare annahmen.

In den Berichten der Münchner Kirchenzeitung erscheinen diese Menschen ebenfalls wie Statisten: Da sind sie, die dankbaren Empfänger der Spenden, und haben bereit zu sein, zu vergeben und einen Neuanfang zu machen. Niemand darf viel über den Schmerz erzählen, den Sohn, den Bruder, den Vater oder Großvater völlig sinnlos verloren zu haben. Nach der Übergabe des Geldes, der Lebkuchen und Christbaumkugeln haben die Bewohner von Filetto dann auch nie mehr etwas aus München gehört. Der „Neuanfang“ war jetzt schließlich geschafft. Durch die jüngsten Forschungen von Professorin Marita Krauss ist der Sankt Michaelsbund mit seiner Rolle bei den damaligen Ereignissen konfrontiert worden.

Veranstaltung geplant

Dem Medienhaus und der Münchner Kirchenzeitung liegt daran, sie nicht zu verbergen, sondern zu teilen und offenzulegen. Die entsprechenden Berichte aus jenen Jahren sind auf mk-online.de einzusehen, ebenso zahlreiche weitere Beiträge dazu. „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen." Dieser berühmte Satz des amerikanischen Dichters William Faulkner bedeutet, dass Vergangenheit nicht begraben und beschwiegen werden will. Dem fühlt sich der Sankt Michaelsbund verpflichtet und plant eine öffentliche Veranstaltung mit Marita Krauss, in welcher Form und zu welchem Termin ist noch offen. Und er wünscht sich, von den Lesern, Hörern und Nutzern seiner Medien angemahnt zu werden, wenn es ihnen zu lange dauern sollte. (Stefan Eß, geschäftsführender Direktor des Michaelsbundes/Alois Bierl, Chefreporter beim Michaelsbund)

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