Kirche in der Ukraine

Das Kreuz im Minenfeld

Der Krieg in der Ukraine macht auch vor den Kirchentüren nicht Halt. Gerade das orthodoxe Christentum ist dadurch einer Zerreißprobe ausgesetzt.

in Priester der Orthodoxen Kirche der Ukraine auf einem Friedhof mit frischen Gräbern gefallener Soldaten © imago images/Ukrinform

In seiner Rede an die russische Nation vom 21. Februar, in der Wladimir Putin den bevorstehenden Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen versuchte, warf er der Regierung des Nachbarlandes unter anderem Diskriminierung und Unterdrückung der russischorthodoxen Gläubigen vor. So befremdlich diese Instrumentalisierung der Sorge um die Kirche und die Religionsfreiheit zur Befürwortung einer mörderischen Aggression klingen mag, sie weist auf die Komplexität der spannenden, aber auch spannungsreichen religiösen Situation der Ukraine hin.

Mehrheitlich – zu rund 70 Prozent – gehören die Ukrainer dem orthodoxen Christentum an, das grundsätzlich in zwei Kirchen gelebt wird, die leider nicht in eucharistischer Gemeinschaft zueinander stehen. Einerseits gibt es die unabhängige (in der Sprache der Orthodoxie: autokephale) Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU), der die Mehrheit der orthodoxen Gläubigen angehört. Ihr Oberhaupt ist der 43-jährige Metropolit Epiphanij Dumenko. Stark ist ebenfalls die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK), die zwar autonom ist, aber letztendlich dem Moskauer Patriarchat untersteht, mit Metropolit Onufrij Beresowskyj als Oberhaupt. Während die OKU Russland und seiner Kirche äußerst kritisch gegenübersteht und die Eigenständigkeit der ukrainischen Nation betont, hebt die UOK die Einheit von Russen und Ukrainern hervor und sieht die OKU als schismatisch an.

Unierte Ostkirche

Etwa sechs Prozent der Bevölkerung gehören der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche an, die dem byzantinischen Ritus folgt, aber in Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche steht und daher nicht als orthodoxe Kirche eingeordnet werden kann: Sie ist eine mit Rom unierte katholische Ostkirche. Weiters sind in der Ukraine die römisch-katholische, die evangelisch-lutherische, auch die Armenische Apostolische Kirche und mehrere Freikirchen, sowie andere Religionen vertreten, zahlenmäßig sind sie aber klein. 

Trotz der deutlichen Nähe des lange von der UOK vertretenen Narrativs zur Ideologie Putins und ihrer langjährigen Zurückhaltung gegenüber der russischen Aggression (beispielsweise im Fall der Krim) hat sich Metropolit Onufrij endlich mutig geäußert und mit starken Worten den Krieg verurteilt – als schon russische Panzer über ukrainischen Boden rollten. Seine Kirche wollte er nicht für einen Krieg instrumentalisieren lassen. „Der Krieg zwischen diesen Völkern ist eine Wiederholung der Sünde Kains, der seinen eigenen Bruder aus Eifersucht tötete“, schrieb er am 24. Februar.

Homophobe Parolen 

Anders verhielt sich Kyrill I., Patriarch von Moskau. Das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche hat zwar mehrmals abstrakt über den Frieden gesprochen, in einer Predigt am 27. Februar bezeichnete er aber die Gegner Russlands als „Kräfte des Bösen“. Eine Woche später versuchte er während der Göttlichen Liturgie, den Krieg theoretisch zu untermauern, sprach von einem „metaphysischen“ Kampf, attackierte den Westen und dessen Werte heftig und machte von unmissverständlich homophoben Parolen Gebrauch. 

Die Gesamthaltung Kyrills wird in der ökumenischen Gemeinschaft deutlich kritisiert. Mehrere wichtige Gremien der Ökumene, wie der Ökumenische Rat der Kirchen, sowie kirchliche Persönlichkeiten aus der ganzen Welt – als einer der Ersten auch Kardinal Reinhard Marx – haben an ihn mit der Bitte appelliert, seinen Einfluss auf Putin geltend zu machen, damit der Krieg baldmöglichst beendet wird. Leider ohne greifbaren Erfolg. Prophetische Stärke zeigen allerdings Priester, Theologen und Gläubige seiner Kirche, die in Russland deutlich gegen das Verbrechen der Invasion protestieren und schon jetzt einen hohen, schmerzhaften Preis für ihre Haltung zahlen.

Übertritte finden statt

Das Kreuz und die Kirchen, die es tragen, befinden sich in der Ukraine in einem Minenfeld. Wortwörtlich. Es fehlt schwer, Entwicklungen vorauszusagen. Die OKU hat Bischöfe, Gemeinden und einfache Gläubige der UOK dazu eingeladen, sich ihr anzuschließen. Tatsächlich finden Übertritte statt, es ist allerdings noch früh, deren Ausmaß abzuschätzen. Großzügigkeit, Öffnung und Flexibilität bei gegenseitigem Respekt können zur Versöhnung beitragen. Kontraproduktiv, wenn nicht katastrophal, wären Versuche bestimmter politischer Kreise – nicht ohne Unterstützung von Vertretern der OKU –, durch die Verabschiedung neuer Gesetze die UOK mehr oder weniger zu verbieten. Ebenfalls unverantwortlich wäre auch eine Identifizierung der großen Tradition der russischen Orthodoxie mit dem Fehlverhalten ihres Patriarchen. Diese Kirche trägt ein wertvolles theologisches und kulturelles Zeugnis, ihr gehören auch mutige Menschen mit klaren christlichen Kriterien an. 

Ich möchte die Hoffnung äußern, dass dieser Krieg alle Kirchen der Ukraine, nicht nur die orthodoxen, einander näher bringt – nicht aber, weil sie einen gemeinsamen Feind gefunden haben. Mögen sie ihre Einheit noch deutlicher spüren im Glauben an Jesus als den Ohnmächtigen, der am Kreuz stirbt, aufersteht, Wunden heilt und zur Überwindung trennender Unterschiede aufruft. Das unsägliche Massaker soll nicht zur Bildung neuer Gräben beitragen, sondern zur Etablierung noch stärkerer Strukturen des Dialogs. Die Ökumene als eine Wegbereiterin der Versöhnung brauchen wir heute mehr denn je. (Georgios Vlantis, griechisch-orthodoxer Theologe und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AcK) in Bayern)

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